Antwort auf: Return of the GrievousAngel: Persönliche Schätze aus der weiten Welt der Kunst

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Um diesen Thread vor dem Einschlafen zu bewahren, möchte ich aus einem anderen Thread („Umfrage: Bestes Album eines Ex Beatle?“) einen sehr persönlichen Text holen, der dort wohl für immer begraben wäre und auf den man jetzt freilich nicht wieder eingehen braucht. Wahnsinn, dass das schon wieder fünf Jahre her sein soll. Wenn ich mich wieder fitter fühle, geht es hoffentlich weiter hier.

GEORGE HARRISON – All Things Must Pass (1970)

Weil mich diese Gedanken mittlerweile einige Monate in sehr regelmäßiger Frequenz wieder beschäftigen:

Wie schon häufig erwähnt, ist All Things Must Pass meine liebste Solo-LP eines Beatle. Eines meiner ersten überhaupt, hat dieses Album auf mich immer schon nicht nur eine enorme Faszination ausgeübt, sondern mir auch seit jeher eine eigenartig bedingungslose Liebe abgerungen. Bei Alben, die ich mit ganzen Teilen meiner Jugend in Verbindung bringe und daher zu festem Bestand meiner DNA geworden sind, überrascht mich das nicht, doch kann ich meist immerhin ganz gut nachvollziehen, warum meine Zuneigung auch losgelöst von Nostalgie einen vitalen Nährboden hat. Als ich All Things Must Pass vor einiger Zeit rezensiert habe, musste ich mir unweigerlich wieder Gedanken darüber machen, ob die Jams, die ja immerhin ein knappes Drittel der Spieldauer ausmachen, mittlerweile eine Abwertung meinerseits rechtfertigen oder nicht. Mir geht es hier aber nicht um Sterne oder Bewertungskriterien, sondern um die Frage, ob ich eine LP mit soviel Ballast – denn mehr sind sind die LP-Seiten 5 und 6, die ich trotzdem noch nie ausgelassen habe, auch in meinen Ohren nicht – tatsächlich so eine hohe Wertschätzung entgegenbringen kann. Zumal ich auf dem Album auch sonst noch Schwächen höre.

Das bringt mich jetzt zu dem Teil, weswegen ich zu dieser Stunde überhaupt so einen belanglosen Roman verfasse: Ich habe mich einfach wieder einmal gefragt, warum All Things Must Pass so einen Zauber auf mich ausübt bzw. was ich in diesem Werk höre, was andere vielleicht nicht hören. Ob es schlicht daran liegt, dass ich einige Tracks so leidenschaftlich liebe, dass die Wertschätzung dieser vor langer Zeit jene des ganzen Albums absorbiert hat oder doch daran, dass der melancholische Grundton genau meine Welt trifft. In den vergangenen Wochen wollte ich diesen Überlegungen auf den Grund gehen, habe die LP beinahe täglich aufgelegt und damit einhergehend auch einen guten Vorwand dafür gefunden, die Scorsese-Doku mal wieder einzuschieben.

Durch die intensive Befassung haben sich dann einige Verdachte und Gedanken bzw. eher Gefühle, die immer schon da waren, ich aber nie so recht von ihrer abstrakten Silhouette befreien konnte, mehr oder weniger bewahrheiten können. Dass ich mich immer mit George und diesem Album identifizieren konnte (wie später nur mit Gram und Gene), wusste ich schon damals, als ich wie eine hungrige Hyäne alle Infos zu den Fab Four zusammenkratzt habe. Obwohl mein Englisch zu jener Zeit, Anfang des Gymnasiums, noch höchst ausbaufähig war und nicht jeder (Prä-)Pubertierende ausgeprägte empathische Veranlagungen besitzt (so wirkte es auf mich zumindest), konnte ich auf eigenartige Weise nachvollziehen, wie befreiend diese Platte für George gewesen sein musste. Und nicht nur das, ich konnte den abgebauten Frust tatsächlich nachempfinden, als wäre es mein Album oder als hätte ich selbst irgendwann ähnliche Erfahrungen gemacht und hätte mich dieser vor langer Zeit damit entledigt. Dass ich das damals zwar empfunden, aber wohl nicht deuten konnte, weiß ich jetzt (wieder/endlich), wo die Eindrücke, die beim Hören des Albums auf mich einprasseln, sich exakt mit den Erinnerungen bzw. eher den darin verwobenen Emotionen decken. Die Frage, die sich im Zuge dieser Aufarbeitung ebenfalls aus diffusen Gedankensträngen herauskristallisiert hat und mit der ich jetzt in meinen Schatten zurückbleibe: empfinde bzw. empfand ich tatsächlich Verständnis und Mitgefühl für George und seine damalige Situation oder habe ich mich nur immer von ihm verstanden gefühlt? Schwierig, je sais…

Dass mir das jetzt keine Ruhe mehr gelassen hat und mich um diese Uhrzeit sogar noch aus dem Bett geholt hat, erscheint mir zwar mit jedem Moment lächerlicher – ich habe nach solchen Ergüssen sowieso immer das Gefühl, als hätte ich noch keinen einzigen Gedanken akkurat ausformuliert -, löschen möchte ich das Geschreibsel aufgrund dessen aber doch nicht mehr. Eins weiß ich immerhin jetzt so klar wie nie zuvor: obwohl ich in meiner Rezension meine Eindrücke von den Jams entsprechend in meine Bewertungen einfließen habe lassen, ändert das partout nichts an meiner außerordentlichen, für mich in ihrer Form durchaus einzigartigen Zuneigung für All Things Must Pass und jede Erinnerung daran.

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