Startseite › Foren › Fave Raves: Die definitiven Listen › Sonstige Bestenlisten › Return of the GrievousAngel: Persönliche Schätze aus der weiten Welt der Kunst › Antwort auf: Return of the GrievousAngel: Persönliche Schätze aus der weiten Welt der Kunst
Anonym
Registriert seit: 01.01.1970
Beiträge: 0
Bevor es hoffentlich zeitnah wieder weitergeht, möchte ich heute allerdings kurz über einen anderen Film reden, der mir sehr am Herzen liegt. Da ich ihn erst letzte Woche wieder gesehen habe und meine Gedanken dazu nicht wieder verlieren möchte.
Two-Lane Blacktop (Monte Hellman; 1971)
Ein paar Tage vor Silvester habe ich meine Freundin gefragt, ob sie bereit wäre für ein kleines Film-Double Feature mit zwei Werken, die ich sehr liebe und die ich gerne direkt nacheinander schauen würde. Ich habe diese beiden Filme, Five Easy Pieces von Bob Rafaelson und Two-Lane Blacktop gewählt, weil ich veranschaulichen wollte, wie zwei unterschiedliche Geschichten ein sehr ähnliches Lebensgefühl vermitteln können. Danach haben wir uns sehr lange ausgetauscht, es war – wie man sagen kann – ein perfekter Filmabend.
James Taylor (von dem ich ihr nahezu täglich Ohrwürmer unterjuble) ist der Driver, Dennis Wilson von den Beach Boys sein Weggefährte und Mechanic, Laurie Bird das Girl und der stets großartige Warren Oates einfach der GTO. Der Zufall bringt sie zusammen und mehr oder weniger gemeinsam fahren sie von West nach Ost. Es kommt zu illegalen Straßenrennen um zwischendurch ein bisschen Kohle zu verdienen und schließlich zu einem Wettrennen zwischen Driver/Mechanic und dem GTO durch mehrere Staaten.
Viel mehr gibt es eigentlich nicht zu wissen und viel mehr treibt die Handlung auch nicht voran. Viel mehr wird auch nicht gesprochen. Es ist eher das, was nicht gesprochen wird und das, was sich zwischen Zeilen über Teile unter der Motorhaube und PS verbirgt. Und natürlich das, was die Figuren antreibt, über die man mit Ausnahme des gesprächigen Oates-Charakter gar nicht so viel erfährt. Sie alle jagen einer Sache nach, ohne genau zu wissen welcher. Da kann es durchaus auch passieren, dass man dieses Gefühl der Sehnsucht auf etwas anderes projiziert.
Two-Lane Blacktop ist für mich im New Hollywood-Kino dieser Sehnsüchte, Einsamkeit und einer rastlosen Suche nach einem Gefühl oder einem Sinn inmitten prominenter Gesellschaft von Filmen wie dem oben genannten Five Easy Pieces, Badlands, Fat City, Wanda oder Hellmans eigenem Cockfighter das zentrale Stück. Wie fasst es der GTO trefflich zusammen? You can’t stay with the same high forever.
Für mich war die Sichtung von Two-Lane Blacktop eines der vier, fünf Kinoerlebnisse, die mein Verständnis für das Medium und mein grundsätzliches Interesse daran am meisten geprägt haben und nicht nur deshalb ist dieser Filme einer der ganz wenigen, dem ich ein perfektes Zeugnis ausstellen darf. Bei jedem Durchlauf bin ich erneut davon fasziniert, wie ich von so wenig so viel mitnehmen kann, auch auf emotionaler Ebene, wiewohl aufgrund der bewusst oberflächlich gezeichneten Charaktere nur die wenigsten auf die Idee kommen würden, den Film als emotional zu bezeichnen – auch wenn Taylors Augen mindestens in einer Szene mehr sagen als tausend Worte es je könnten. Man muss halt genau hinsehen.
Das bringt mich zum Abschluss auch zu den Schauspielern, die für mich einen ganz großen Teil zur Perfektion des Werkes beitragen. Das Nichtschauspielern von den Novizen James Taylor mit seiner buckligen Haltung und den langen, teilnahmslos herabhängenden Armen und der natürlichen Coolness in Person, Dennis Wilson, ist das Beste, was dem Film passieren konnte. Dazu Halbgott Warren Oates, dessen Figur bei jeder Gelegenheit Hitchhiker aufgabelt um nicht allein die Straßen herunterbrettern zu müssen und am explizitesten seine Gefühlslage ausdrückt und Laurie Bird als Überbleibsel einer so fern wirkenden Hippie-Kultur, deren Freiheitsgefühl sich in Abgestumpftheit und einer ziellosen Jagd nach dem Kick (I can’t get no satisfaction, wie ihre Figur „singt“) auflöst. Das Zusammenspiel dieser Schauspieler und Nichtschauspieler in Verbindung mit den schier unendlichen Weiten der amerikanischen Highways ist nicht weniger als eine der größten Errungenschaften menschlicher Kunstfertigkeit.
Es gibt ein schönes Interview, in dem Regisseur Monte Hellman, der vergangenes Jahr verstorben ist, und Taylor 35 Jahre nach dem Dreh zum ersten Mal aufeinandertreffen und ihre Erinnerungen daran austauschen. Da erzählt Hellman auch, dass sich Harry Dean Stanton sehr auf seine Rolle in dem Film gefreut hatte und hinterher enttäuscht war, weil er nur den kleinen Part eines Hitchhikers einnahm, der dem GTO während der Fahrt in ein paar kurzen Szenen recht aufdringlich Avancen macht.
Ich hoffe, ich konnte meine Gedanken von letzter Woche einigermaßen konservieren und nachvollziehbar zusammenfassen, sodass man verstehen kann, was Two-Lane Blacktop für mich zu einem der besten Filme aller Zeiten macht.
--