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#1 – Das Bass-Riff kennt man von irgendwoher, das Stück ist aber entweder recht verfremdet oder hat nur eine Ähnlichkeit mit dem, was ich meinte? Jedenfalls liegen drunter vertraut klingende Changes. Es dauert etwas lange, bis das Thema abgehakt ist, aber ist natürlich alles schön ausgearbeitet. Der Einstieg der Tenorsaxophons ist dann stark, im ersten Moment könnte es auch ein Alt sein. Sehr schöner Ton, gute Phrasierung. Die Trompete ist vom Charakter her recht ähnlich, bei beiden scheint es wenig Schatten zu geben – aber auch das ein klasse Solo! Die Rhythmusgruppe macht das alles sehr gut … aber ich bild mir irgendwie ein, herauszuhören, dass das Europäer sind? Der Bass gefällt mit total, das kurze Klaviersolo ist gut, den Drummer finde ich wohl hier nicht immer auf der Höhe mit den anderen – aber seine verschleppten Fills hinterm Thema sind toll (ich glaub es ist sein Grund-Beat im Thema, mit dem ich nicht immer ganz zufrieden bin?)
#2 – Klasse Einstieg, wieder ein Tenorsaxer mir super Ton, der das einfach so setzt, unaufgeregt und souverän. Und dann ist er plötzlich weg, weil der Tastentinkler hier (wie ev. schon in #1?) der Leader ist … mit den Klavierarpeggien und den eigenwilligen Fills wird aus dem Bass-Solo jedenfalls eher ein Duo. Das Klavier klingt leider etwas metallisch, aber die Ideen gefallen mir nicht schlecht. Ich muss da unweigerlich an Alice Coltrane denken – was mit der Umfrage zu tun hat, klar, wäre davor nicht auf die Parallele gekommen. Dann steigt das Sax ein, gute Arbeit des Drummers mit den Besen, Piano bleibt sehr präsent, gestaltet im ganzen Stück praktisch jeden Augenblick. Ich tippe mal, dass Du uns hier Lokalmatadoren (allenfalls mit Gästen aus Übersee oder anderswo aus Europa) auftischst? Aufnahmen aus den 80ern? Das hier hat einen skandinavischen Touch, ich musste ein paar Male an Bernt Rosengren denken (den ich allerdings gerade von „Litania“ im Ohr habe, nicht von skandinavischen Sachen … aber gut, ausser dem Leader sind das ja alles Nordländer).
#3 – So, und jetzt sind die Bläser mal weg und das Klavier darf loslegen. Wieder Besen dahinter und einem agilen Bass. Das ist schnellfingriger, freier, findet aber immer wieder vertrautes Territorium – steckt da ein Standard dahinter? (Und #2 ist ein Original, ja?) Der Bass hat hier den zeittypischen etwas unschönen Sound, aber das gefällt mir sehr, sehr gut – bis hierhin jedenfalls für mich das Highlight! Der hat wohl ordentlich Solal gehört diese Verbindung von Tastenvirtuosität mit freieren Touches, die aber nicht wirklich aus der Avantgarde kommen müssen bzw. diese quasi gar nicht brauchen, um frei zu sein … klingt für mich jedenfalls ähnlich/verwandt. Das Bass-Solo ist dann nicht grad mein Favorit, diese wiederholten rasant absteigenden Linien – da wird der Ton des Instruments von der Aufnahmetechnik leider erfolgreich gekillt. Aber danach wird’s besser. Das Klavier ist auch hier dauernd präsent, lässt aber mehr Raum als in #2, finde es auch gekonnter gemacht insgesamt. Und der Drummer ist auch gut, aber da würde ich dann schon gerne mal mehr hören, mit Sticks statt Besen. Tolles Stück!
#4 – Hier wieder das gleiche Schema wie in #2: Sax zum Einstieg, dann übernimmt der Pianist. Der Drummer kickt recht hart, die Snare auf zwei und dann auf zwei und vier – bin mir nicht sicher, ob man das ernst meinen kann? Aber der Pianist ist super. Klingt streckenweise nach McCoy Tyner, aber spielt sich auch immer wieder frei, lässt sich Zeit (was den Drummer leider nicht stört, den finde ich hier leider wirklich etwas nervig). Dann steigt der Saxer ein – auch der hat seinen Coltrane gehört, und sonst noch so einiges, tolles Solo! Und dahinter finden beim Drummer endlich die lang ersehnten Auflösungserscheinungen statt, er weicht etwas vom Beat ab. Der Pianist bleibt auch hier sehr präsent, aber für mein Empfinden weniger dominant als in #2, näher am klassischen „comping“ hier. Ach, das sind ja zwei Saxer! Ziemlich toller Steigerungslauf hier! Schön, dass der Bassist am Ende noch ran darf, gefällt mir sehr!
Vielen Dank für diese vier feinen Tracks! Mein Favorit ist glaub ich #3, aber #4 wir am Ende auch super, und die Zusammenstellung funktioniert quasi als Steigerungslauf super. Die Hypothese (NL-Umfeld, ca. 80er) lass ich mal für alle vier Tracks stehen und bin gespannt, weitere Eindrücke zu lesen!
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