Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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redbeansandrice

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Jim Schapperoew – This One’s For Pearle

Soundtrack zu Charles Farrells Autobiografie, die ich gerade lese… Farrell ist der Pianist, der auf dem Backcover oben rechts zu sehen ist, nebem dem Leader als einziger auf allen Tracks zu hoeren und tatsaechlich ein bisschen der Star der Platte… Farrell, Jahrgang 51, ist ein vergleichsweise virtuoser Pianist, Schueler von Madame Chaloff genau wie Keith Jarrett… und tatsaechlich klingt die Platte ein wenig nach dem inneren Cecil Taylor von Keith Jarrett, von dem hier die Tage die Rede war… hier kann mann Farrell und Schapperoew gut 30 Jahre spaeter mit Evan Parker hoeren… da ist dann allerdings mehr der aeussere Cecil Taylor im Vordergrund – fuer meine Nerven ist das alte Album besser…

die Autobiografie von Farrell, (Low)life: A Memoir of Jazz, Fight-fixing, and the Mob, kann ich auch sehr empfehlen, wobei ich bislang die 30 Jahre in der Mitte ausgelassen hab, was etwa der mittleren Haelfte des Buchs entspricht… Mit 27 gab Farrell seine Musikkarriere naemlich auf, weil er erkannte, dass man als Jazzmusiker so gross wie Miles Davis werden muss, um das Geld zu verdienen, das er gerne gehabt haette – so gross wie Charles Mingus reicht nicht… So hat Farrell zB die Audition als Pianist bei Sonny Rollins, 1973 zwischen Walter Davis und Stanley Cowell, kriegt den Job auch, aber nimmt ihn nicht an, weil das Geld nicht stimmt… und konstatiert, dass Rollins in den 70er Jahren nur mittelmaessige Musik machte, weil fuer das Geld nur mittelmaessige Mitmusiker zu haben waren… Farrell schreibt ziemlich bissig, mit sehr wenig Respekt vor der Jazzwelt… ein bisschen milde ist er mit dem Alter geworden… es gibt zB diese Szene in der der junge Farrell Jim McNeely anpoebelt, weil der denkt, es sei ein Erfolg, der Pianist von Stan Getz zu sein, waehrend Farrell das anders sieht… da gibt der alte Farrell durch aus zu, dass er damals nicht soo direkt haette sein muessen… („Something in me revolted when introduced to musicians whose loftiest ambition was to work for someone else. That tended to be the artistic ceiling that jazz musicians diligently strove to achieve. Jimmy McNeely was Stan Getz’s piano player. That was the end of the road. I’m sure he felt that he’d made it.“)

Jazz spielt im Buch eine etwas untergeordnete Rolle, aus den Jahren als Musiker erzaehlt Farrell vor allem von den nicht so tollen Gigs in Mafiaclubs rund um Boston… spaeter war er dann Boxmanager und Gangster, von diesen Jahren handelt der mittlere Teil des Buchs… erst am Ende kommt Musik als Thema wieder (unter anderen mit einer tollen Seite ueber Henry Grimes und seine schreckliche Frau)… vom Ton her ist das Buch so eine typische amerikanische Autobiografie, irgendwo in der Mitte zwischen einem Bukowskiroman und Art Peppers Straight Life… Farrell ist jemand, der seine Fehler schon irgendwie kennt, sie immer wieder macht, bei Bedarf stundenlang ueber sie reden kann, sich aber trotzdem ziemlich cool findet, wahnsinnig viel gesehen hat, und echt gut erzaehlen kann, mir machts Spass

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