Antwort auf: Billie Eilish

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krautathaus

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jesseblueVielleicht verrenne ich mich, Plattensammler, aber meine Wahrnehmung ist, dass Rockmusik stärker dazu verleitet, ein Instrument erlernen zu wollen, als Popmusik. Es ist kein Zufall, dass viele PopkünstlerInnen nur als VokalmusikerInnen auftreten, selbst wenn sie ein Instrument beherrschen. Popacts sind nicht in der Form auf Instrumente zugeschnitten wie Rockacts. Es gibt diese Geschichte, dass in manchen Musikhäusern Schilder angebracht sind, dass bestimmte Riffs zum Antesten einer Gitarre nicht mehr gespielt werden dürfen. Unter anderem „Smoke On The Water“ und „Highway To Hell“. Diese Riffs müssen wohl so oft gezockt worden sein, dass die LadenbesitzerInnen irgendwann Stopp gesagt haben. Sobald ich aber die ersten Anekdoten höre, wie sich Eilish-Fans mit Instrumenten eindecken, geb ich dir ein Bier aus.

Du hast schon auch recht, aber halt auch wieder nicht. Was daran liegt, dass sich das Instrumentarium nicht so so scharf von Pop zu Rock abgrenzen läßt. Gerade die Akustikgitarristen steigen doch oft bei der Popmusik der 60/70er ein, The Beatles, The Kinks (Lola), Horse with no name, House of the rising sun…das sind (waren?) doch die Klassiker.

Bei den E-Gitarreneinsteigern, sieht das etwas anders aus, die spielen halt auch gerne Rockgenretypische Riffs nach etc. wobei z.B. Stairway to heaven wiederum ein klassisches Einsteigermodell für die Akustische ist (für mich zumindest), außer man will unbedingt das Solo lernen.

Ob nun heute angehende Akustigitarristen auch zeitgemäße Popmusik nachspielen, ist schwierig zu beurteilen, da müßte man sich mit den Gitarrenlehrern auseinander setzen. Es gäbe aber genug Beispiele denen diese Akustik-Anfänger auch in der heutigen Popmusik folgen könnten: von Ed Sheeran bis Taylor Swift reicht die Palette gitarren-harmonisch nachvollziehbaren Songs. Auch bei Billie Eilish ist das möglich, schlißlich sehen wir ihren Bruder fast bei jedem Liveauftritt seine Schwester an der Akustischen begleiten. „Your Power“ ist doch ein tolles Beispiel, das man nachspielen kann.

Der Unterschied nun von den Sheerans, Swifts und Eilishs zu den Beatles, Kinks, Amerikas etc ist doch hauptsächlich, dass die 60/70er Popinterpreten noch ein viel größerer gemeinsamer Nenner für eine deutlich größere Hörerschaft war. In den letzten 20 Jahren ist doch die Rezeption von Popmusik ziemlich auseinander gedriftet und durch den technisch immer einfacheren Zugriff immer individueller geworden. Ich würde sogar behaupten, daß wir uns im Anfangsstadium des Forums (Anfang Mitte der 2000er) noch deutlich mehr über gemeinsam erworbene Neuerscheinungen ausgetauscht haben, als heute.

Und so wie die Hörer seit roundabout 20 Jahren von Kollektiven Neuentdeckungen abdriften, kann es auch sein, daß viele Einsteiger bei Instrumenten nicht mehr nur bei den alten Klassikern einsteigen, sondern auch bei Neuveröffentlichungen. Daß z.B. die Beatles immer noch oft präferiert werden, hat auch damit zu tun, daß es diese Musik eben schon ewig lange gibt und sich sowohl ein Akustikgitarrist, als auch ein Pianist gleichermaßen mit den Songs beschäftigen kann.

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“It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko