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vorgarten
wahr
lysolPromises (with Pharoah Sanders & The London Symphony Orchestra) ****1/2
Wird ja grad ziemlich begeistert aufgenommen. Ich finde es ebenfalls sehr schön, besonders wenn Sanders wunderbar den Sound aufraut und sanft verwirbelt. Aber auch sonst sind feine Stellen da, die im Hintergrund kaum merklich wirken und das Grundmotiv des Pianos vitalisieren. Ich hatte komischerweise die Assoziation zum utopisch/positiven Ansatz von Yes und zu ruhigeren Passagen von Close To The Edge, obwohl es ganz anders klingt – die Begriffe Yes und Promises weisen ja auch in die gleiche Richtung einer positiveren Zukunft. Vielleicht leitet sich daraus auch die enthusiastische Rezeption dieses Albums ab, aus dem Bedürfnis nach aufbauenden Nachrichten und Perspektiven. Phasenweise schrammt Promises aber auch am New Age-Kitsch vorbei. Das LSO hält sich meist sehr zurück, was den Eindruck luxuriöser Verschwendung macht, wenn dann mal für ein paar Minuten ein ganzes Orchester vorsichtige Akzente setzen darf. Das hat schon was, aber Sanders ist hier derjenige welcher Promises auf eine andere Ebene hebt.
das ganze konzept des albums ist komplett auf sanders ausgerichtet – die minimalistische anlage und das, was du als new-age-nah empfindest, ist eine aktualisierung von experimenten, die sanders selbst anfang der 80er interessiert haben, auf JOURNEY TO THE ONE und SHUKURU, wo er ähnlich mit kleinen angeboten (harmonium solo z.b.) mitvibriert, hier und da etwas aufraut oder verwirbelt, manchmal schärfen setzt. und die eskalation des orchesters im 6. movement ist für mich eine klare verbeugung vor alice coltrane, die ja eine zeitlang mit sanders sehr verbunden und auf vergleichbaren wegen (harmonie zu produzieren, ohne die risse und härten, die sie nötig machen, zum verschwinden zu bringen) unterwegs war. finde ich interessant, weil es zwei impulse-spiritualjazz-klassiker wieder zusammenbringt. diese fernöstlichen glissandi haben ja später auch radiohead aufgegriffen. und für die kraft, sie sie hier entfalten, braucht es schon den ganzen apparat. ich mag das album deshalb so sehr, weil floating points sanders nicht als spezialeffekt einsetzt, sondern ihm wirklich ein sounddesign baut, auf dem er sich nach eigenen interessen bewegen kann. was diesen bewertungsthread angeht, geht der an floating points ein bisschen vorbei, weil die elektronikszene ja eher in tracks denkt (in seinem fall gibt es berühmte beispiele: king bromeliad, nuits sonores…), nicht in alben. die drei, die es bislang gibt, haben aber ein klares albenkonzept.
Danke. Ja, Alice Coltrane ist eine ganz offensichtliche Referenz. In der Wire wird besonders Spiritual Consciousness und World Galaxy genannt, was die Streicher angeht. Die Streicher sind dort um einiges präsenter. Die 80er Jahre Produktionen von Sanders kenne ich nicht. Den Eindruck, das Sanders immer mal wieder etwas despektierlich kurz auf die Bühne geworfen wird, um ein feuriges Sanders-Solo rauszuhauen, hatte ich auch auf der Spiral Mercury mit Rob Mazurek u.a. Ich glaube, dass hattest du hier auch schon mal erwähnt. Wirklich sehr schön finde ich dagegen, wie du es nennst, wie Sanders hier „ein eigenes Sounddesign gebaut“ wird. Und ich finde, man merkt auch eine Menge Weisheit und Erfahrung in seinem Spiel, wie er hier diesen dargebotenen Raum nicht vollspielt, sondern eben vorsichtig und doch mit einiger Autorität bespielt. Die New Age-Stellen muss ich nochmal rausfiltern, sie gehen aber samt und sonders auf die Kappe von Shepherd/Floating Points. Vielleicht habe ich auch zu wenig Bezug zu New Age (was ja in letzter Zeit recht einflussreich rezipiert wird). Ich finde zum Beispiel Alice Coltrane’s World Spirituality Classic 1 in großen Teilen unanhörbar. Wogegen mir ihr Werk aus den 70ern ausnehmend gut gefällt. Ich finde an Pharaoh Sanders auch gut, dass er nicht nur Feuer speien kann, sondern auf den sanften Entwicklungsminimalismus von Promises respektvolle, gut getimte Antworten findet. Das hat er in seiner Karriere bestimmt schon oft getan, aber eben in Abwesenheit meiner Ohren. :)