Antwort auf: Umfrage: Die 20 besten Tracks von The Beatles

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wahr

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tops

wahr

tops… rein gar keine Gemeinsamkeit (null) in Sachen Fabs-Faves finde ich in den Listen von kantnerslick, foxhousetwo, mc-weissbier, mr-badlands, pfingstluemmel, snowball-jackson und wahr. Andere, ferne Welten.

Habe mich aber über Rocky Racoon in deiner Liste gefreut. Und war auch überrascht davon, wieso denn ausgerechnet der Fake-Folk von Racoon als eines der wenigen späteren Songs deine Gnade gefunden hat. Du bist ja mehr der Anhänger des früheren Werks. Von dem ich auch einiges schätze, so ab Rubber Soul ungefähr wurden die Beatles für mich aber nochmal in Riesenschritten größer. Als sie das Studio als Ausdrucksmittel für sich entdeckten und sich immer weniger an Gitarre-Bass-Drums-Gesang ketteten. Und dann eben auch die Phase, als sich das Bandgefüge auflöste, individuelle Interessen in den Vordergrund kamen und plötzlich mehr Platz war für jeden einzelnen, seine eigene Stellung in dem ganzen Irrsinn zu reflektieren – man kann ja nicht ewig mit den gleichen drei Typen abhängen und jinglen und janglen. Gegen die späteren Sachen ab Revolver hat das Frühwerk bei mir dann entsprechend doch keine Chance gehabt.

Na ja, zunächst einmal ist an „Raccoon“ nichts Folk und schon garnichts fake. Es ist vielmehr eine herrliche Western-Ballade, ein überaus charmantes Tongue-in-cheek-Dramolett, bei dem jedes Wort, jeder Ton stimmt, Zwischentöne eingeschlossen. Ich habe den Track von Anfang an geliebt, mehr noch als die anderen vier oder fünf gelungenen Tracks auf „The Beatles“. Und was Dein Hurra auf das Studio als Ausdrucksmittel betrifft: gähn. Keine Ahnung wie alt Du damals warst, aber in Echtzeit als Fan erlebt (ich war 15, 16) war der Wandel von „Ticket To Ride“ (Gitarre-Bass-Drums-Gesang!) zum faden Gesäusel von „Michelle“ et.al. mehr als Grund genug, vom Glauben abzufallen. Vom Fortschrittsglauben, der Deinen Ausführungen innewohnt (auch noch mit „Riesenschritten“!), empfehle ich ohnehin dringend abzulassen, der führt bekanntlich in die Hölle von Prog und Prätention. Etwas anderes ist es, wenn Du gar nicht dabei warst, den Wandel also nicht selbst durchlebt, sondern womöglich vielfach vermittelt wahrgenommen hast, irgendwann. Dann sagt Dir die blaue Phase vielleicht schon deshalb mehr zu, weil sie den musikästhetischen Vorstellungen einer späteren Generation, die ihre Musikerfahrungen post festum machen musste, einfach näher ist. Nicht nur zeitlich.

Selber gähn! :)
Wir sollten vielleicht nicht unsere Jugenderinnerungen gegeneinander ausspielen oder vom Glauben abfallen mit Gideons Bibel auf dem Nachttisch, aber wenn eine von vorne bis hinten ohne historisches Vorereignis (soweit ich weiß, und wenn doch würd‘s nichts ändern) aus den Fingern gesogene Pop-Ballade von Paul McCartney inna Westernstyle kein Fake-Folk ist, dann weiß ich auch nicht. Stört es dich, dass du zwar beim Schritt von „Ticket To Ride“ zu „Michelle“ vom Glauben abgefallen bist, dann dich aber von „Rocky Racoon“ wieder hast einseifen lassen? Zu sowas ist Pop eben fähig: Trittfeste Böden bereiten, die sich plötzlich in Blitzeis verwandeln. Es gibt auf dem Weißen Album ein paar weitere Balladen-Pendants zu „Rocky Racoon“, wahlweise im Ballroom-Gewand („Honey Pie“), als Kinderlied getarnt („Bungalow Bill“, nicht ganz so harmlos, weil eigentlich eine Kritik an der Großwildjagd, mit knalligen Comic-Bildern erzählt, aber das ist ja auch eher ein Lennon-Stück) oder vaudevillig inszeniert („Martha My Dear“). Alles Fake-Geschichten, in Kostümen aus der Musikgeschichte gekleidet. Wie es eben plötzlich ging, als Mittel zur Verfügung standen, sich aus dem großen Klamottenarsenal zu bedienen, mit Mr. Martin, dem Studio-Realisator, im Hintergrund, unterstützt von Technik neuestem Stand. Und ja, das ist Fortschritt im Sinne von Entwicklungen machen. So wie sich Uderzo/Goscinny auch von „Asterix, der Gallier“ zu „Asterix als Legionär“ entwickelt haben: Ausbau der Figuren, Verbesserungen der Zeichnungen, Mehrdeutigkeiten, Interpretationsebenen. Oder Beefhearts Entwicklung von „Diddy Wah Diddy“ zu „Ella Guru“, oder John Coltrane von „Ballads“ zu „Ascension“, die Stones von „Aftermath“ zu „Let It Bleed“, oder oder. Es wird genügend Zeitgenossen geben, die damals diese Entwicklungen so wie du direkt mitbekommen haben, sie jedoch als Fortschritte empfanden und die entgegen deinen Vorlieben die späten den frühen Beatles vorziehen. Insofern ist das „Ich war dabei“-Argument keins. Ich habe da ja einen bestimmten Verdacht: Wenn der Fortschrittsglauben, von dem du mir abrätst, geradewegs in Hölle und Prätention führt, hängst du dann in deinem Festhalten an die guten alten Gitarre-Bass-Drums-Gesang!-Beatles vielleicht einer Authentizitätserzählung nach, einem Glauben an „ehrliche“, „handgemachte“ Musik?