Antwort auf: 27.12.2020

Startseite Foren Das Radio-Forum Roots. Mit Wolfgang Doebeling 27.12.2020 Antwort auf: 27.12.2020

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hat-and-beard
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Morgen wird die wahrscheinlich letzte Sendung „Roots“ laufen und hier kommentiert werden.
Es ist kein gewolltes Ende, ein harmonisches schon gar nicht, sondern ein aufgezwungenes und bitteres.

Nichtsdestotrotz wollte ich noch ein paar Worte zur Bedeutung der Sendung für mich loswerden, damit aber nicht die Sendezeit füllen, deswegen eröffne ich den Thread schon heute. Vielleicht hat ja noch jemand ein paar Anmerkungen.

Ich höre „Roots“ seit gut 15 Jahren, zum ersten Mal kurz nachdem ich mich im Forum angemeldet habe. Die letzten anderthalb Jahre kam es aus Zeitgründen leider nur noch sehr selten vor. Ich habe in der Sendung (und natürlich durch Wolfgangs Texte im Rolling Stone) etliche Artists und Bands kennengelernt, die ich sonst vielleicht erst später und in vielen Fällen wahrscheinlich nie entdeckt hätte. Langfristig am wichtigsten war sicher die Entdeckung Simon Joyners, den ich in „Roots“ mit seiner damals aktuellen LP „Lost With The Lights On“ kennenlernte. Über die Jahre hat er sich mehr und mehr zu meinem liebsten zeitgenössischen Musiker entwickelt. Seine Platten (und Konzerte) nicht kennengelernt und erlebt zu haben: Unvorstellbar. Auch viele andere aktive Bands und Artists hörte ich in „Roots“ zum ersten Mal (oft auch nirgendwo anders), z.B. The Flaming Stars (eine absolute Lieblingsband), Nina Nastasia, Fever Fever, Eilen Jewell, Those Darlins (Jessi Zazu ist schon drei Jahre tot, unglaublich), Palm Springs, Rayographs und Paper Dollhouse, Nikki Lane. Einige meiner Lieblingssängerinnen und -sänger entdeckte ich auch hier: June Tabor, Shirley Collins, Neko Case, Ian Matthews, Steve Young, Dan Stuart (und die fantastischen Green On Red).
Auch wenn neue Platten und Bands für Wolfgang immer das Wichtigste und Dringlichste waren und sind (!), ging es mit „Roots“ oft auch in die Vergangenheit, zu bestimmten Stilen, Künstlern, Jahrgängen oder immer wieder querbeet durch die Plattensammlung (das waren neben den Jahrescountdowns immer meine liebsten Ausgaben), so wurde man z.B. auf Terry Allen, die Muldaurs, Mary McCaslin und Jim Ringer, James Talley, Wah! Heat, Sir Douglas Quintet, The Bongos, Bob Neuwirth oder einen gewissen George Jones aufmerksam, Leute, deren Lob nicht an jeder Straßenecke gesungen wurde und wird.
Unabhängig von Entdeckungen bestimmter Bands oder Platten ist für Wolfgang bekanntlich das Thema Singles ein absolut zentrales. In der Hinsicht lebt man in der deutschen Musiklandschaft ansonsten ja fast komplett hinterm Mond, da war „Roots“ eine Ausnahme, sowohl was aktuelle Musik angeht als auch bei Platten vergangener Jahrzehnte.

Es ist eine Schande, dass (und wie!) „Roots“ nun ein Ende findet. Ich werde die Jahresrückblicke vermissen, die Singles-Countdowns vergangener Jahrgänge, die Sendungen ohne roten Faden und „Robert Mitchum“; wo sonst wäre Jerry Jeff Walker oder Billy Joe Shaver eine zweistündige Gedenksendung zuteil geworden; wo sonst wäre ein zweistündiges Norton-Labelspecial anlässlich der Verwüstung ihres Lagers durch Hurricane Sandy gelaufen.

Danke, Wolfgang.
Kopf hoch und denk dran: Never give a sucker an even break.

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God told me to do it.