Antwort auf: Freejazz

#11305917  | PERMALINK

nicht_vom_forum

Registriert seit: 18.01.2009

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Auf die Gefahr hin, mich auf dem Holzweg zu befinden: Mein Eindruck ist, dass „spiritual“ im non-free und im Free Jazz zwei unterschiedliche Dinge bezeichnet: „Spiritual“ wie in „Spiritual/Gospel“ und „spiritual“ wie in „spirituell“. Dabei hat die „Spiritual/Gospel“-Schiene einen deutlich „black“/baptistisch-christlich geprägten Hintergrund, aus dem sowohl ein Fokus auf gemeinschaftliches religöses Erleben (Chor, Gottesdienst, etc.) als auch ein gewisser Verkündigungscharakter folgen – der Bezug zu Bachs Protestantismus ist da m. E. nicht völlig verkehrt, während die andere „spirituelle“ Schiene dagegen mehr in individuellen spirituellen Erfahrungen, wie sie sowohl im Islam (z. B. bei Sufi-Mystik) als auch im Hinduismus/Buddhismus im Zentrum stehen – z. B. mit einem Schwerpunkt auf Meditation und ähnlichen Praktiken, wurzelt.

M. E. steht die zweite Bedeutung im Free Jazz deutlich im Vordergrund. Deshalb höre ich bei der Musik von Coltrane und Co. daher zwar klar ein Angebot und eine Einladung (wozu sonst veröffentlichen?) zu Spiritualität und Transzendenz, aber nicht unbedingt das Ziel, neue Zuhörer zum eigenen Standpunkt zu „bekehren“ und musikalisch zu überwältigen – nicht zuletzt, weil den mystischen Traditionen in Islam und Hinduismus/Buddhismus der Weg wesentlich wichtiger ist als ein bestimmter fester Standpunkt.

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Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick