Antwort auf: Sun Ra

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gypsy-tail-wind
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vorgarten… geht nicht unbedingt in die tiefe, ist auch weniger far out, ist aber viel kollektiver, viel organischer. und sie hat etwas sehr rührendes, weil da menschen an etwas festgehalten haben, durch phasen des uncoolseins, durch neue hipsterumarmungen hindurch, an crave diggern vorbei, die sich eh nur für seltene saturn-ausgaben interessieren, steht da, wo alle plötzlich den wert von afrofuturismus als utopisches reservoir erkennen, noch das real deal auf der bühne, mit 80jährigen, die rad schlagen. und jetzt gibt es das auf vinyl, und es klingt auch noch gut. ich kann das nicht wirklich unter „unspektakulär“ verbuchen. so als wäre das selbstverständlich, dass es eine solche band gibt und die heute so ein album einspielt. aber wenn man die sounds und das material (obwohl…) mit denen/dem von anderen heutigen big bands vergleicht, ist es wahrscheinlich nicht so anders…

Der Anfang des Zitats bezieht sich zwar auf ein konkretes Stück (den Vergleich zu Ägypten kann ich leider nach wie vor nicht ziehen – nächste Woche hoffentlich dann schon!), aber „viel kollektiver, viel organischer“ deckt sich generell mit meiner Wahrnehmung des neuen Albums – wobei ich dann besser „sehr aufs Kollektiv fokussiert und sehr organisch“ sagen müsste. Auch die restlichen Zeilen, die ich zitiere treffen wohl ziemlich ins Schwarze!

Unspektakulär bezog sich nicht auf solche Qualitäten sondern einfach auf meine Wahrnehmung beim Hören, weil ich halt schon ein wenig was von den Konzert-Feuerwerken erwartet hatte. Aber vermutlich gewinnt das Album gerade dadurch, dass es diesen mglw. eh zum Scheitern verurteilten Versuch gar nicht erst macht – sehr gut möglich! Ich will das inkriminierte Wörtchen nicht nochmal wiederholen, wenn es dazu beiträgt, dass ich ein negatives Gesamtbild des Albums habe, denn das ist nun wirklich nicht der Fall!

Was den „Hard Bop“ angeht: ich höre modalen Jazz nicht grundsätzlich als Gegenpol oder anderen Stil sondern als eine der Entwicklungen aus dem (bzw.: im) Hard Bop, bin da ja hier im Forum schon länger on the record, wenn es für eine breite Auslegung von „Hard Bop“ geht. Also „Kind of Blue“ bis „A Love Supreme“ passt da gerade noch rein, „Out to Lunch“ sowieso, bei Coltrane (und Mingus) 1964 findet dann so in etwa der Ausbruch statt … und parallel dazu gibt es natürlich die Soul Jazz-Schiene, die auch die R&B-Wurzeln vieler Hardbopper (aber auch einiger Vertreter der Avantgarde) aufgreift … mancherorts kommt das ja alles Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger wieder zusammen, aber ob Sun Ra jetzt zu diesen Fällen zählt, weiss ich nicht, weil meine Kenntnis dieser Phase nicht tief genug geht.

Ich freue mich jedenfalls darauf, das Album in den kommenden Tagen noch einige Male zu hören!

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