Antwort auf: Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism, PC & Cancel Culture

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demon

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jackofh
Der zweite Aspekt ist für mich noch schwieriger. Ab wann gilt eine Aneignung als „disrespectful“?

Wenn sie das Original lächerlich macht. Oder wenn sie ihm eine wichtige (z.B. spirituelle) Bedeutung wegnimmt oder ins Gegenteil verkehrt. Ganz objektiv ist dieses Kriterium (im Gegensatz zur Frage wirtschaftlichen Ausbeutung) freilich nicht, aber wir bewegen uns ja eh‘ auf dem Feld der Kunst.

Den von Go1 verlinkte Aufsatz finde ich schon einen guten Anhaltspunkt mit seinen Aspekten „Ausbeutung“ und „Respektlosgkeit“, auch wenn das Beispiel „Hound Dog“ in der Tat ein Griff ins Klo ist.

jackofh Mir wollte aber neulich auch eine glühende CA-Verfechterin weißmachen, dass ich meine Talking-Heads-Platten entsorgen soll, weil das alles nur von Fela Kuti geklaut sei und weiße Jungs so nicht spielen dürften.

Um Himmels Willen, solchen Auswüchsen bin ich noch nicht begegnet! Ich hätte die Gegenfrage gestellt, ob es dann auch verwerflich war, dass Fela Kuti sich beim Musikstudium in London „weiße“ Musik angeeignet hat?

latho
Grundsätzlich finde ich die Idee des Artikels ja gut, „Aneignung“ im Wortsinn als Klauen, Nicht-Bezahlen zu bewerten. Bloß ist das a) ein bereits bekanntes Problem (und in Gesetze verpackt) …

Ich finde, es ist schon bisschen mehr: Hier geht es ja nicht nur um einzelne Plagiate individueller Künstler, auf die das Gesetz regieren könnte. Sondern eine ganze Gemeinschaft bedient sich stilistisch an einer fremden Kultur – was eben nicht pauschal in Gesetze verpackt ist.

latho…, dass man sich vom dem Vorwurf CA quasi „freikaufen“ kann (der „Ursprungskünstler“ erhält Geld) oder, zynisch formuliert, die billige Variante, man lobt den Autor.

Wer einen fremden Stil adaptiert, ohne konkrete Werke zu klauen, der muss dafür laut Gesetz nichts bezahlen. Aber er soll doch so ehrlich sein, seine Vorbilder zu nennen und zu thematisieren! Das ist nicht die „billige“ Variante, sondern die in diesem Fall angemessene. Sie zu unterlassen, wäre zwar keine Ausbeutung oder Betrug im juristischen Sinne, aber man kann’s moralisch schon damit in einen Topf werfen.
Naturlich braucht heutzutage kein Blues-Musiker sein Konzert mit einem Vortrag über Robert Johnson zu beginnen, denn das Wissen um den Ursprung des Blues gehört zu unserer Allgemeinbildung – und genau so soll es ja auch sein!

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