Antwort auf: Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 37,711

go1Ja, eh. Wir können einander jetzt bestätigen, dass wir solche Auswüchse schlimmm finden, aber mir wär dabei ein bisserl fad – das versteht sich doch. Es ist klar, dass Vorstellungen eines „kulturellen Eigentums von Gruppen“ zu absurden Konsequenzen führen; dass manche Debatten nach dem Motto „Moral statt Verstand“ geführt worden sind; und dass es überhaupt ein Fehler ist, solche Fragen nach der Vorgabe „Der hat kein Recht darauf!“ vs. „Künstlerische Freiheit!“ zu führen
[…]

Ging auch nicht direkt an dich, ich wollte nur daran erinnern, dass unter dem Schlagwort CA viel Unsinn verbreitet wird. Und das sollte man auch erwähnen (du hast das gemacht, alles gut).

go1
Was es nicht besser macht. Ja, das war immer schon ein Teil des Problems (fehlende Anerkennung war der andere Teil). Dass dies heute wieder diskutiert wird, ist gut und nicht schlecht. Der Punkt ist: kulturelle Aneignung an sich ist weder gut noch schlecht, es kommt auf das WIE an – und da gibt es je nach Kontext auch mal was zu kritisieren. Die Aneignung vorhandenen Materials ist Teil jeder kulturellen Produktion, aber das heißt ja nicht, dass jede Form von Aneignung unter allen Umständen eine gute Sache ist.

However, “borrowing” becomes a problem when a piece of art is given preferential treatment because of preexisting racial hierarchies of value – causing the work of people of color to be devalued, and artists to be undercompensated for their innovation.

Wenn das Ergebnis so aussieht, dass weiße Adepten zu Stars werden, während schwarze Schöpfer arm und im Dunkeln bleiben, dann ist etwas faul.

Das meinte ich mit der dem poststruktualistischem Captain Obvious. Zu oft steht hinter solchen Begriffen ein „so what“. Also altbekannt, bereits thematisiert, nur noch nicht (neu) benannt.

go1
Was hat das mit dem Anlegen von „zweierlei Maß“ zu tun? Die Unterscheidungen, die Briahna Joy Gray trifft, folgen doch alle daraus, dass sie ihren eigenen, einen Maßstab dafür hat, was eine gute und was eine schlechte Art von kultureller Aneignung ist.
[…]

Zweierlei Maß in der Hinsicht, dass man sich vom dem Vorwurf CA quasi „freikaufen“ kann (der „Ursprungskünstler“ erhält Geld) oder, zynisch formuliert, die billige Variante, man lobt den Autor.

go1
Nein. Aneignung ist beides, und dass manche Weiße schlechten Blues spielen, ist für die Autorin allenfalls Ausdruck von „disrespect“ – diese Leute haben es nicht für nötig gehalten, sich ordentlich in die Materie zu vertiefen.

“Cultural disrespect” also helps us appreciate good kinds of borrowing. When a person truly tries to study and pay tribute to a different culture, their use of it becomes less objectionable. The most cringeworthy white blues is played by those who least understand it, but when people have truly immersed themselves in another culture and done their research, the results can be moving.

Ein Problem sieht sie dann, wenn Musikindustrie und Öffentlichkeit dem schlechten Bluesrock zu mehr Erfolg und Anerkennung verhelfen als der Musik der schwarzen Bluesleute, auf deren Schaffen er aufbaut. Es geht ihr um Strukturen und Institutionen, in denen die einen die Früchte der Arbeit anderer ernten können und für „Neuerungen“ gefeiert werden, die in Wahrheit andere hervorgebracht haben. Sie spricht von Umständen und Bedingungen, unter denen die Stimmen der einen gehört werden und die der anderen nicht. Und von einer Gesellschaft, in der kulturelle Praktiken bei Mitgliedern von Minderheiten abgewertet werden, während sie bei Angehörigen der Mehrheit okay gehen (oder sie erst akzeptabel werden, wenn „Weiße“ sie übernommen haben). Sie spricht eben nicht vom Fehlverhalten Einzelner, sondern vom gesellschaftlichen Kontext, in dem sich Fragen von Ausbeutung und Anerkennung stellen. Und diese Fragen sollte man eben nicht vergessen, wenn es wieder einmal heißt: „Someone is wrong on the internet!“

Das ist das, was ich mit „Herumgemeine“ meine: da sind Geschmacksurteile drin. Diese und diese Band spielt „schlechten“ Bluesrock, hat sich nicht erkennbar zu den Vorbildern geäußert, also steht das Urteil fest: CA! Das ist natürlich dermaßen weich und persönlich geprägt, wie mittlerweile Begriffe wie „Rassismus“ oder „Sexismus“.

Grundsätzlich finde ich die Idee des Artikels ja gut, „Aneignung“ im Wortsinn als Klauen, Nicht-Bezahlen zu bewerten. Bloß ist das a) ein bereits bekanntes Problem (und in Gesetze verpackt) und b) fällt die Autorin dann eben doch wieder auf „Meinen“ zurück, mein Geschmack als ausreichendes Kriterium für ernstzunehmende Anklagen.
Someone is always wrong on the Internet.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.