Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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motoerwolf

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Harriet – Der Weg in die Freiheit (Harriet, Kasi Lemmons, 2019)

Ich habe dieses Jahr schon einige neue Filme im Kino (und auf Netflix) gesehen, die sich mit dem Thema Rassismus bzw der Situation der Schwarzen in einer von Weißen dominierten Welt beschäftigen. Den Anfang machte Queen & Slim, dann kamen Just Mercy, Da 5 Bloods, Die Wütenden, Blue Story und zuletzt Berlin Alexanderplatz. Und heute habe ich dann die wahre Geschichte von Harriet Tubman geschaut, eine Frau die ich bewundere, seit ich zum ersten Mal von ihr hörte. Ein Film also, auf den ich mich sehr gefreut habe. Leider wurde ich hier zum ersten Mal dieses Jahr von einem „schwarzen“ Film ziemlich enttäuscht. Harriet ist reinstes Hollywoodkino, alles ist pures Abenteuer. Nichrs berührt den Zuschauer wirklich; darum wird versucht, Emotion durch Musik zu erzeugen, als ob die Geschichte in fähigen Händen nicht von alleine hätte tragen können. So gleitet Harriet öfter mal ins kitschige ab, und auch auf der visuellen Ebene passiert das immer wieder. Beides könnte ich leicht ertragen, aber zusätzlich muss der Zuschauer religiösen Kitsch über sich ergehen lassen. Denn Harriet wurde als Kind am Kopf verletzt und steht seitdem in engem Kontakt mit Gott. Dieser führt Harriet, und das durchaus kleinschrittig. Das geht so weit, dass Gott ihr auf der Flucht durch die Wildnis sagt, ob sie rechts oder links abbiegen muss um ihren Häschern zu entkommen. In meinen Augen entwertet das die Leistung der historischen Figur komplett, und zwar so sehr, dass ich mich tatsächlich vergewissern musste, ob die Regie und Drehbuch nicht vielleicht in männlicher weißen Händen lagen. Zumal Harriet an einer Stelle eine Vision vom kommenden Bürgerkrieg hat, nach dem die Schwarzen frei und gleich sein werden. WTF? Auch wenn der Film vor der aktuellen Eskalation der Lage in den USA gedreht wurde finde ich diese Deutung der Situation der Schwarzen nach 1865 schon sehr als Schönfärberei. Darüber hinaus ist die übelste Figur des Films ein Schwarzer, und dieser ist der einzige Antagonist, der für seine Taten mit dem Tod bestraft wird. Zu guter Letzt ist der Film äußerst unrund. Harriets Lebensgeschichte ist so voll von unglaublichen Ereignissen und Taten, und durch die stark episodenhafte Erzählweise wird der Film nichts davon gerecht. Zuviel bleibt angedeutet, ganz besonders ihre Rolle im Bürgerkrieg. Und alles danach wird sogar nur per Texttafel vor dem Abspann erzählt. Da wurde viel Potenzial verschenkt. Dank guter schauspielerische Leistung und des starken Titelsongs gebe ich dennoch

5/10

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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame