Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

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gypsy-tail-wind
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Und ich bin wieder bei den alten Geigern … das Set habe ich gerade erst gekauft und höre CD 1, die mit der Chaconne aus der Partita BWV 1004 öffnet. Spivakovsky spielt mit einem „Vega“-Bogen, also einem gebogenen Bogen, der es erlaubt, die Spannung während des Spiels zu verändern und so zwei oder auch alle vier Saiten zugleich zu spielen. Ich erwähnte das im Geigen-Faden schon: einigermassen berühmt wurde Emil Telmnányis Einspielung des Solo-Bachs mit dem Vega-Bogen 1953/54. Interessant ist das schon, denn polyphon notierte Geigen-Werke gibt es schon seit vor Bach (in einer StoneFM-Sendung neulich spielte ich eine Sonate von Johann Paul von Westhoff von der neuen CD von Plamena Nikitassova – im Gegensatz zu Telmányis Bach wirklich hörenswert) und die Geschichte des Rundbogens geht weiter, bis zu Cage, Schnebel, Zender, Zimmermann:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rundbogen_(Streichinstrument)
Vor der zuvor unveröffentlichten Radio-Aufnahme aus Schweden 1969 ist Spivakovskys Ansage zu hören, in der er den Gebrauch des Rundbogens erläutert.

Spivakovsky wurde bei in Kritiken – das Booklet dieses Sets ist für Doremi-Verhältnisse äusserst ordentlich geraten, 6-seitige Liner Notes und diverse Fotos – aus der Zeit nach seinem Debut in den USA eine perfekte Intonation nachgesagt… und gerade die ist mit dem Rundbogen wohl nicht so leicht hinzukriegen. Ich stelle mir vor, dass die Unsauberkeiten in Momenten passieren, in denen er die Spannung des Bogens ändert, aber das weiss ich natürlich nicht.

Auf CD 1 geht es weiter mit Prokofievs zweitem Violinkonzert und dann mit dem Konzert von William Schumann, das erste 1959 mit den New Yorker Philharmonikern unter Thomas Schippers, das zweite mit dem Orchester aus Buffalo unter Lukas Foss, 1966. Die Konzerte, es sind wie auf dem Cover steht, acht, aus den Jahren 1943-66 (da liegt das Cover falsch, Bach ist ja dann noch von 1969), wurden von Tonbändern überspielt, die nach Spivakovskys Tod in dessen Nachlass gefunden wurden. Dabei erwies sich ein Mitschnitt des Konzerts von Roger Sessions 1959 mit NYPhil/Bernstein leider als nicht mehr brauchbar … aber auch so ist hier ein guter Mix aus bekanntem (Beethotven, Brahms, Mendelssohn, Tschaikovksy) mit damals (relativ) neuem und teils selten gespieltem zu finden: Prokofiev 2, Bartók (2 – Spivakovsky spielte 1943 mit den Clevelandern unter Rodzinski die US-Erstaufführung und Bartók befand „first rate“, die hier enthaltene Aufnahme aus demselben Jahr entstand wenig später mit den New Yorkern auch unter Rodzinski) und eben Schuman.

Vielleicht erbarmt sich ja Sony dann mal noch und bringt (neben dem Nicht-Chopin von Brailovsky) auch mal noch seine Spivakovsky-Aufnahmen in einer kleinen Box heraus – bei Discogs sind drei Columbia- und je ein RCA- und ein Epic-Album gelistet:
https://www.discogs.com/artist/1608503-Tossy-Spivakovsky
Die ersten beiden sind nicht greifbar, das dritte ist in der Box von Firkusný, das RCA-Album in der Monteux-Box, und das Epci-Album in der gerade erschienen Fromm-Box – die drei hörte ich ja neulich schon an und das war der Anlass, die Doremi-Box von 2018 zu bestellen.

Ich höre wohl nachher noch CD 3 mit Martin (NYPhil/Robert La Marchina, 1963) und Bartók (eben 1943 mit NYPhil/Rodzinski) an – interessant ist, dass auch bei letzterem wieder Spivakovskys Ansage dabei ist. Jene zu Bach dauert nicht ganz zweieinhalb, die zu Barók mehr als sieben Minuten.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba