Antwort auf: Die 10 besten Alben der 60er

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wahr

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lotterlotta

beatgenroll……..Auch sagen mir viele dort dargebotene Musikinstrumente wenig oder nicht zu. Und das fehlen von schönen Stimmen. Ich mag auch sehr gerne Harmonie, beim Jazz meint ja jeder, immer auf sackgassige Abwege zu gehen…………..

Da hast du dann wohl schlicht die falschen Alben gekauft, auch im Jazz gibt es Harmonie und großartige Stimmen…… Kenn da ne gute Ohrenärztin und die neuen Hörgeräte tragen auch nicht mehr so schrecklich auf! ;-)…… Du hörst also kein Piano, kein Schlagzeug, keine Gitarre, kein Saxophon, keinen Bass…..nur noch Elektronik????????? Völlig zum Techno konvertiert?

Ich glaube, diese sicher gut gemeinte Polemik bringt da irgendwie nichts. Ich kann @beatgenroll durchaus verstehen. Wenn man mit Rock sozialisiert wurde, vielleicht auch durch Musik-Mags wie den Rolling Stone, dann ist man mit einer relativ strikten Trennung zwischen Jazz und Rock/Pop aufgewachsen, in dem Sinne, dass Rock Jazz irgendwie abgelöst hat in der Pop-Kultur und man über letzteres kaum noch geschrieben hat. Ich glaube, das ist ein großes Versäumnis gewesen. Dabei gibt es Einflüsse von Jazz im Rock der 60er und darüber hinaus en masse. John Densmore war ein Jazz-Drummer, der stark von Elvin Jones beeinflusst ist. Densmore hat auch John Coltrane Mitte der 60er Jahre live gesehen. Der Rhythmus von Break On Through von den Doors ist ein Bossa Nova-Rhythmus. Die Grateful Dead spielten eigentlich Jazz auf Rockgitarren. Jerry Garcia spielte später Jazz auf der Akustischen. Ornette Coleman schenkte Beefheart eine Musette. Beefheart selbst hat viel vom Free Jazz der 60er übernommen. Eric Dolphy und seine Bass-Klarinette zählen sicher zu den Einflüssen. Zappa’s Beeinflussung durch Jazz ist eh klar. Charlie Watts kommt vom Jazz und hat vor seiner Zeit mit den Stones eine Biografie über Charlie Parker geschrieben. David Crosby bezeichnet, soweit ich mich erinnere, ein Konzert von John Coltrane als eines der größten Live-Erlebnisse seines Lebens (sicher nicht nur, weil er neben Coltrane an der Pinkelrinne stand). Die Stooges haben ein freies Saxofon in ihre Tracks eingeführt. Soft Machine waren stark vom Jazz beeinflusst und sind später vollständig rübergewechselt. Die langen mäandernden Stücke der Velvet Underground haben Jazz eingesogen. King Crimson ist ohne Jazz gar nicht denkbar, und zwar nicht nur die härteren Improvisationen, sondern auch die sanfteren, sehr ruhigen Stücke – ich sehe da auch Parallenen zu Miles Davis „In A Silent Way“. Caravan und Colosseum sind auch ohne Jazz nicht denkbar. Jimi Hendrix ist eh klar. Tom Verlaine ist großer Coltrane-Bewunderer. Er sah ihn auch live in den 60ern. Alan Vega war Coltrane-Fan, und zwar auch des späten Coltrane. Die Laurel-Canyon-Songwriter-Schule (Joni Mitchell, Judee Sill, Gene Clark, …) haben Schönheit und sanfte Vetracktheit auch dem Jazz entnommen. Die Energie von Rock und Jazz war in den 60ern durchaus vergleichbar.Beides stand eine zeitlang für ein Rütteln an den Verhältnissen. Aber auch die sanfteren Seiten von Jazz und Rock gingen gut zusammen. Man hätte damals ohne weiteres beides noch viel mehr zusammendenken können, auch von Seiten der Autoren, die über Musik schrieben. Ich habe das Gefühl, bis heute wird dieses Versäumnis der klassischen Rock-Magazine nicht thematisiert und aufgearbeitet. Dann würde nämlich mancher Kontext erweitert werden und der Zugang zum Jazz über den Rock wäre selbstverständlicher. (Sorry für allzu plakatives Kraut- und Rüben-Post)

zuletzt geändert von wahr