Antwort auf: Johann Sebastian Bach

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Gestern im Konzert András Schiff mit dem zweiten Buch des Wohltemperierten Klaviers – unglaublich beeindruckend, auch wenn das wohl nicht meine Idealinterpretation ist … aber das Ding vollständig im Konzert zu hören (Schiff sprach am Anfang ein paar Worte und damit dauerte der Abend dann dreieinviertel Stunden, inkl. 20 Minuten Pause) eröffnet allein schon ganz neue Perspektiven (wie so oft bei mir).

Ich hörte danach zuhause die Nr. 12, die Schiff vor der Pause spielte, und die in vieler Hinsicht herausstach, dünkte mich. Zunächst mit Gould und Gulda – und beide sind völlig anders, mich dünkt ganz oder fast ohne Verzierungen? Bei Schiff gab es davon wohl einige – er erwähnte in seinen einführenden Worten auch (nebst dem Gedanken: stellen Sie sich mal vor, Herr Trump würde ein Motiv wie die „Aria“ erfinden und dann jemanden anstellen, Variationen darüber zu verfassen), dass er der Ansicht sei, als Interpret dürfe man nicht ans Streichen von Wiederholungen denken sondern müsse sich halt – wenn das Stück zu lang(fädig) scheine – überlegen, ob man es denn nicht besser gar nicht spielen sollte.

Weil Schiff wohl, so meine Vermutung beim Wiederhören von Gould und Gulda, obschon er am grossen Bösendorfer (ein rot-schimmerndes Instrument, ich glaube ein Concert Grand 280VC, stand im Programm, das zuhause liegt) zur Tat schritt, einiges an Erfahrungen der HIP-Aufführungspraxis einfliessen liess, was Verzierungen und überhaupt die Ausgestaltung anbelangt, griff ich nachher noch zu den jüngsten Einspielungen, die mir vorliegen – Christophe Rousset und Christine Schornsheim. In die Einspielung von letzterer hörte ich dann rein, und tatsächlich scheint mir Schiff, bei allen klanglichen Differenzen, viel näher hier dran als bei Gould oder Gulda.

Und finalement drängt sich, nachdem der Einstieg bei Ugorskaja mit Schubert und Beethoven äusserst bereichernd war, die Frage auf, wie sie denn ans WTC geht. Hat da schon jemand reingehört – @clasjaz? Mit Verzierungen? Pedaleinsatz? (Letzterer bei Schiff sehr behutsam, manche Stücke kamen auch ganz ohne aus. Aber ein kleiner Bericht folgt dann noch im anderen Faden, auch wenn mir scheint, ich hätte hier inzwischen fast alles gesagt, was ich da überhaupt sagen kann.)

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