Antwort auf: Literarische Begegnungen (Lesungen)

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ford-prefect
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Herlinde Koelbl – Institut für Psychologie, Universität Heidelberg, 23.1.2020

Biennale für aktuelle Fotografie

Thema: Spuren der Macht

Vor einer Woche hat der holländische Fotograf Anton Corbijn, der die Videoclips und das Bühnenbild von Depeche Mode entwirft und ein Kreativpartner von Herbert Grönemeyer ist, die Tagung für Fotografie eröffnet. Nun kam Herlinde Koelbl zu Besuch. Wie verändern sich Menschen unter dem Einfluss der Macht? Wie sehen Gesichter und Körpersprache vor, während und nach der Ausübung eines hohen öffentlichen Amtes aus? Diese Fragen standen im Mittelpunkt, als die bekannte Fotografin Herlinde Koelbl, die für das Magazin der Wochenzeitung Die Zeit arbeitet, 1991 ihr Langzeitprojekt mit 14 als Portrait sitzenden Persönlichkeiten startete. Dabei fotografierte Koelbl diese Menschen aus Politik und Wirtschaft von 1991 bis 1998 jeweils einmal im Jahr, lediglich vor einer weißen Wand auf einem einfachen Stuhl, um zu dokumentieren, wie sich diese Menschen in Aussehen und Verhalten entwickeln. Darunter befanden sich die in der breiten Bevölkerung noch unbekannte Angela Merkel, Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Vorstandsmitglieder großer Wirtschaftskonzerne. „Wenn sie noch nicht abgeschliffen und geprägt sind“, erläuterte die 80-Jährige. Doch zuerst musste Gastrednerin Herlinde Koelbl dem Publikum erzählen, wie schroff und wenig hilfsbereit ihr einige Heidelberger Bürger begegneten, als sie am Hauptbahnhof ankam. „Bilder bleiben stärker im Gedächtnis als Worte“, erklärte Vortragsrednerin Herlinde Koelbl, die das daran ersichtlich machte, dass die aktuelle Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk ihre Nobelpreisrede mit der Beschreibung eines Bildes ihrer Mutter eröffnet habe. Eine Erkenntnis aus ihrer visuellen Langzeitstudie in den 1990er Jahren sei gewesen, dass Politiker ausgesprochen eitel seien mit einem Hang zur Selbstinszenierung, während Wirtschaftsbosse von Konzernvorständen das Gegenteil darstellten – als diskrete und verschwiegene Charaktere, die erst in die Öffentlichkeit treten, wenn ein Unternehmen aus einer Krise geführt werden muss.

Die Portraitfotos aus dieser Dekade sind minimalistisch und von Symbolen der Macht befreit, also ohne Statussymbole, was nur ablenken würde. „Was früher Zepter und Hermelinmantel waren, sind heute große Räume und schwere Bilder an den Wänden“, schilderte Fotografin Koelbl, die in einem anderen Projekt verschiedene Menschen jeder sozialen Schicht in deren Wohn- und Schlafzimmer abgelichtet hat. Nur Gerhard Schröder hält als amtierender Bundeskanzler eine dicke Zigarre in der Hand, weil er das so wollte. „Ich habe keine Anweisungen gemacht. Die Menschen sollten nur offen sein und sich zeigen, das war entscheidend“, erzählte die bei München lebende Lichtkünstlerin. 2003 hatte Herlinde Koelbl einen Dokumentarfilm über Benjamin von Stuckrad-Barre und dessen Drogenprobleme gedreht. Bei ihrem Vortrag erwähnte Koelbl außerdem ihren Dokumentarfilm „Die Meute“ von 2001, in dem sie der Distanz und Abhängigkeit zwischen Journalisten und Politikern nachspürt. Kann mich erinnern, diesen eindrücklichen Film, den man auf YouTube in voller Länge finden kann, damals im Hochsommer 2001 im Fernsehen gesehen zu haben.

Fotografin Herlinde Koelbl während ihrem Gastvortrag über ihre fotografische Langzeitstudie „Spuren der Macht“ in der Heidelberger Uni

 

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