Antwort auf: Billie Eilish

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bullschuetz

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stormy-mondayAber Ihr schreibt von den „schönen Songs“, auch wenn sie dekonstruiert werden und akustisch oder als Cover erst ihr profundes Songwriting entfalten. Das ist dann schon interessant.

Nimm als Beispiel – eines von vielen – die hier verlinkte Nummer Xanny. Klassischer Slowsong, sehr melodioes, sehr leise. Dann kommt der Refrain, bringt eine neue melodische Wendung, soweit alles Song, Song, Song. Der Refrain aber wird mit einem Bass unterlegt, der so angezerrt klingt, als halte die Box ihn nicht aus. Und die Stimme wird von diesem Zerren infiziert, das Tonsignal zittert. Das kann man jetzt als Sabotage am Song empfinden oder als packend, weil die Aufnahme dadurch nicht Gefahr läuft, sich allzu wohlig-selbstgefaellig im melodischen Sentiment einzurichten.

Ich finde daran auch geil, wie hier Dynamik eingesetzt wird. Der Anfang ist wirklich seeehr leise, Du drehst unwillkürlich am Lautstärkeregler – worauf Dir der Refrain dann wirklich das Zimmer flutet. Das Gegenteil von totkomprimierter Mucke und eine Musik, die selbstbewusst erklärt: Hör mich nicht als Hintergrundberieselung! Lass dich drauf ein, dreh auf, damit Du die leisen Passagen in ihrer Differenziertheit überhaupt voll wahrnehmen kannst – und halte danach das Laute aus!

Ich empfinde das nicht als Song-Dekonstruktion, aber es ist eben auch keine Herangehensweise, die das melodische Potenzial einfach via Arrangement nochmal zu unterstreichen versucht (sagen wir mal, mit Geigen oder so).

Über die Texte auf der Platte ließe sich auch dies und das sagen: Klassisches Songwriting insofern, dass hier eine individuelle Haltung zur Welt erkennbar ist und nicht nur ein Textgenerator die üblichen Versatzstuecke ausspuckt.

Wie @herr-rossi treffend schreibt: Das kommt selbstverständlich alles nicht aus dem Nichts. Wenn es um Vorbilder und Inspirationen geht, scheint Eilish ja eine regelrechte Plaudertasche zu sein, schwaermerisch wie ein Fan, null darauf bedacht, Einflüsse zu verschleiern, um die eigene Leistung innovativer erscheinen zu lassen.

Die Bass-Wucht in Xanny zum Beispiel hat schon James Blake in Limit To Your Love mit ähnlichem Effekt eingesetzt. Und die Harmonien im letzten Track der Eilish-Platte sind unüberhörbar Abbey-Road-like beatlesk.

Diese Mischung aus Frische im Zugriff, Song-Orientierung und einer musikalischen Kompetenz, die darin besteht, erstaunlich reif mit Stilmitteln und Traditionen umzugehen: Das macht für mich diese Musik reizvoll.

Und das alles hat sich bei mir auch nach recht oftmaligem Hören noch nicht verbraucht.

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