Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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yaiza

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HOMMAGE AN GIDON KREMER (18.-27.10.2019) im Konzerthaus Berlin

So, 27.10.19
Chronicle of Current Events II Werner-Otto-Saal
KREMERATA BALTICA
Werke von Mieczyslaw Weinberg
Gidon Kremer (Leitung und Violine), Georgijs Osokins (Klavier), Ieva Parsa (Sopran)
Projektkurator: Kirill Serebrennikow
Videos: Artem Firsanov, Aleksey Venzos, Valeriy Pecheykin

Nun also der Sonntag, als letzter Tag der Hommage. Ich stand am Sonntag noch voll unter dem Eindruck des Vortages (und wie sich zeigen sollte noch viele Tage danach), aber an diesem Abend sollte es um die Musik von Weinberg gehen. Gidon Kremer hatte hierfür unterschiedliche Stücke von Weinberg als eine Art Score zusammengestellt und an einer Visualisierung dazu gearbeitet. Er erklärte im Gespräch am Mittwoch, dass er gern Serebrennikow für die Umsetzung in Videos gesehen hätte, dieser aber aufgrund des auferlegten Hausarrests nicht zur Verfügung stand. Stattdessen übernahm er die Rolle des Kurators und gab Empfehlungen, während von ihm empfohlene Künstler die Umsetzung in ein Video übernahmen.

Und wieder standen, diesmal schon um 19.00 Uhr, ca. 250 Zuschauer vor dem Saal ggü. den Türen zum 2. Rang des Großen Saales. Da dort das Konzert um 16.00 Uhr begann, hörten wir den verklingenden Schluss der 5. Der Einlass erfolgte diesmal in einen abgedunkelten Raum. Gidon Kremer und der Pianist Georgijs Osokins (wie Lucas Debargue auch ein Permanent Guest Artist der Kremerata) saßen bereits mit Augenbinden fast unbeweglich auf ihren Plätzen. Nach und nach kamen die anderen Musiker einzeln hinein und setzten sich mit geschlossenen Augen. So langsam wurde auch das Publikum ruhiger. Es entwickelte sich eine wirkliche Ruhe und Konzentration im Raum, die auch die ganze Zeit anhielt. Kremer und Osokins nahmen ihre Augenbinden ab und die Aufführung begann.

Entstanden ist in Co-Produktion mit den im vorhergehenden Post genannten Spielstätten ein ca. 50-minütiger Kunstfilm, der Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft verbindet. Die Kremerata und Gidon Kremer spielten dazu die von ihm ausgesuchten Stücke. Ich gehe schwer von aus, dass dieser Film auch als DVD erscheinen wird, vielleicht auch als Live-Version mit Video im Hintergrund und werde dazu noch nicht allzu viel sagen. Die von Kremer ausgesuchten Stücke wurden zu Frühling-Sommer-Herbst und Winter-Teilen/Suiten zusammengefasst. Hierbei war wirklich ganz viel vertreten: Sätze aus den Konzerten und Streichquartetten, einzelne Preludes aus op. 100, auch Stücke aus dem Vokalwerk. Es wird sich lohnen, das nochmal anzuschauen oder (evtl. auf CD) auch anzuhören. Es gibt einen sehr guten Blick auf das Lebenswerk von Weinberg. Live waren das natürlich erst einmal viele Eindrücke. Ich hatte mich auch entschieden, mehr den Musikern zu folgen und mit einem Auge der Visualisierung. Das ging auch gut, da diese zum Glück zwar tief geht, aber nicht überfrachtet war. Beim „Winter“ hatte ich auch das Gefühl, dass die Kühlung angeworfen wurde, mir war sehr kalt.

Nachdem die Musiker ihr Spiel beendet hatten, ging leider sofort der Applaus los. Ich hätte mir gewünscht, die Schnellapplaudierer hätten wenigstens noch den Abspann abgewartet. Gidon Kremer hatte sich auch die ganze Zeit noch nicht zum Publikum gedreht, sondern zum Abspann geschaut, der dann mit einem Foto von Mieczyslaw Weinberg und seinen Lebensdaten endete. Erst dann wandten sich die Musiker dem Publikum zu. Trotz des Applauses schwebte eine Ernsthaftigkeit durch den Raum… und es ist im Nachhinein schön, dass wir nicht in dieser Stimmung den Saal verließen.

Am Mittwoch sprach Kremer bereits an, dass er sich überhaupt auch für Filmkunst interessiert und am Sonntag zeigte er noch als Abschluss eine ca. 4-minütige Animation, an der er u.a. beteiligt war. Sie fing mit einem überselbstbewussten Putin à la oberkörperfrei auf dem Pferd an. Nach und nach kamen mehr Figuren durch das Bild. Im Hintergrund sah man die Riege von Diktatoren, die sich auf dem Lenin-Mausoleum postierten und die Parade abnahmen. Jede Figur trug das Putin-Gesicht und auch hier gefror das Lachen irgendwann. Nach verschiedensten Karikaturen folgten auch die Schwachen, Alten, Kriegsversehrten… viele viele Bilder, wie man sie aus der russischen Malerei kennt. Im Abspann war dann neben Gidon Kremer auch der Name von Sandro Kancheli, Sohn seines im Sommer verstorbenen Freundes Giya Kancheli, zu lesen. Sandro Kancheli saß auch in einer hinteren Reihe und wurde lange gebeten, sich zu zeigen und nach vorn zu kommen. Er war sehr sehr gerührt und nahm zusammen mit allen Beteiligten den Applaus entgegen. Sie wurden lange nicht von der Bühne gelassen, aber irgendwann musste dann auch der Schluss der Hommage eingeläutet werden.

In Berlin waren die Informationen zu „Chronicle of Current Events“ nur sehr dürftig, aber vor allem das Holland Festival hat noch eine interessante Seite dazu. Hier ist ach die Abfolge der gespielten Stücke enthalten. In Frankfurt gab es im Sep. auch einen Abend mit interessantem Rahmenprogramm. In Leipzig wird der Film im Februar 2020 gezeigt.

zuletzt geändert von yaiza

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