Antwort auf: Das Piano im Jazz

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gypsy-tail-wind
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Ich war nie ein grosser Fan von Harold Mabern, zuviele Töne in zuwenig Zeit, und immer dieselben Töne – so zumindest kommt er bei mir an, als Welle von eher plumpen Funk. Dass er auch leiser konnte, ist mir schon klar, aber er erreicht mich einfach nicht so wirklich. Am ehesten höre ich ihn dann mit George Coleman, seinem Kollegen aus Memphis, mit dem er immer wieder aufgenommen hat, bei mir stehen „My Horns of Plenty“ (1991) und „I Could Write a Book – The Music of Richard Rodgers“ (1998) (aber am liebsten mag ich dann wohl doch die Coleman-Aufnahmen mit Hilton Ruiz am Klavier, und natürlich das 1964er-Konzert des Miles Davis Quintetts, zu dem Mabern glaube ich zu Beginn des Neuanfangs 1963 auch mal kurz gehörte, mit Frank Strozier war ja noch ein dritter Musiker aus Memphis involviert, aber nur Coleman blieb etwas länger, bis dann endlich Wayne Shorter bereit war, bei Blakey zu gehen … ich mag die Aufnahmen mit Coleman aber total gerne, auch wenn sie nicht die Dimension des Neuen eröffnen, wie das dann mit Shorter passieren sollte).

Nachruf von Nate Chinen (WBGO):
https://www.wbgo.org/post/harold-mabern-pianist-who-mastered-post-bop-blues-and-memphis-soul-dead-83#stream/

Nachruf von Michael J. West (Jazztimes):
https://jazztimes.com/features/tributes-and-obituaries/harold-mabern-1936-2019/

Anyway, aus dem traurigen Anlass habe ich gerade zwei alte Posts überarbeitet, die ich vor Jahren mal über die beiden Prestige-Twofer geschrieben habe – auf den ersten drei der vier Alben (vom dritten fehlt leider aus Platzgründen ein Stück) ist George Coleman auch schon an Bord (die Aufnahmen entstanden vom März 1968 bis zum Januar 1970):

Harold Mabern – A Few Miles from Memphis (+ Rakin‘ and Scrapin‘)
Wailin‘ (Workin‘ & Wailin‘ + Greasy Kid Stuff!)

Ach ja, sehr gerne mag ich die Alben der Gruppe MJT+3 – MJT steht für Modern Jazz Two, das waren Drummer Walter Perkins und Bassist George Cranshaw. Das klassische Line-Up der Band bestand 1959/60 aus den folgenen „plus 3“: Willie Thomas (t), Frank Strozier (as), Mabern (p). Es war – und ist – bei mir natürlich vor allem Strozier, wegen dem ich diese Alben immer wieder anhöre. Bei beiden Strozier-Alben auf Steeplechase, „Remember Me“ (1976) und „What’s Goin‘ On“ (1977) sitzt Mabern übrigens auch am Klavier … und auch auf dessen frühen Prestige-Sessions sind dieselben Leute dabei: auf „A Long Night“ sitzt zwar Chris Anderson am Klavier, der blinde Pianist aus Chicago, doch der hat gemäss den Liner Notes von Maberns erstem Album „A Few Miles from Memphis“ diesem unter die Arme gegriffen, als er neu in der Stadt war, Bill Lee, der auf den ersten zwei Mabern-Alben Bass spielt, und Perkins am Schlagzeug sind bei dem Album auch dabei. Auf dem zweiten Strozier-Album („March of the Siamese Children“) sitzt dann Mabern am Klavier, Lee (übrigens der Vater von Spike Lee und Komponist der Musik einiger von dessen Filmen, auch des Titelstücks von „Mo‘ Better Blues“) ist wieder am Bass, am Schlagzeug sitzt Al Dreares, den ich bisher noch nicht so recht verorten kann (und auch nicht überragend finde).

Und super sind natürlich seine Aufnahmen mit Lee Morgan – der den Punch, die Melancholie, die Cockiness und all das hat, was mir bei Mabern ein wenig fehlt … „The Gigolo“ (mit Shorter, Cranshaw und Billy Higgins, 1965) ist einer der grossen Blue Note-Klassiker (wer wollte gerade Morgan besser kennenlernen – war es @sam? Dicke Empfehlung!) … und dann sind da die superberben Live-Aufnahmen aus dem Lighthouse (die auf Fresh Sound stammen ja wohl aus dem Both/And, auch einem Club in San Francisco), und „The Last Session“, das letzte Album als Leader von Morgan, auf dem übrigens auch Billy Harper zu hören ist.

Ein weiterer schöner Credit von Mabern ist „The Black Cat“ von Gene Ammons, ein Prestige-Album von 1970 mit George Freeman, Ron Carter, Idris Muhammad + Streichern). Und dann sind da natürlich noch die zwei Alben von Keno Duke mit Strozier, Coleman, Mabern und Lisle Atkinson („Sense of Values“, Strata East 1974; „Crest of the Wave“, Trident 1975), die zwei Mercury-Alben vom Jazztet (1962) … und bei „The Night of the Cookers“ von Lee Morgan, dem dreckigen Live-Doppelalbum mit Freddie Hubbard, James Spaulding etc., ist Mabern auch genau richtig.

Mit weiteren guten Aufnahmen mit Jackie McLean, Sonny Stitt, J.J. Johnson, Roland Kirk, Blue Mitchell, Johnny Griffin, Jimmy Heath usw. kommt schon eine ganze Menge zusammen.

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