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bullschuetz
Im Übrigen bringt es auch nichts, verschiedene Phänomene in einen Topf zu rühren und alle gleichermaßen zum Anlass, um im Strahl zu kotzen, zu nehmen. Konkret:
– Das reaktionaere Menschen- und Ordnungsbild bei TKKG mittels close reading herauszuarbeiten, erscheint mir Literaturwissenschaft at its best.
– Der Fall der Emma-Karikaturistin ist zumindest diskutabel.
– Das Gomringer-Gedicht verschwinden zu lassen, ist für mich ein peinlicher Akt pseudoemanzipazorischer Spießigkeit und literarischer Unverstaendigkeit.
Dass man da Unterschiede machen muss, ist auf jeden Fall richtig. Die Gomringer-Geschichte halte ich für einen Schildbürgerstreich, aber sie war auch nur eine Lokalposse, deren Bedeutung man nicht hoch zu hängen braucht. Wenn Studenten der Hochschule Schilda gegen „Sexismus“ kämpfen wie Don Quijote gegen „Riesen“, hat das früher nur die Leute in Schilda und Umgebung interessiert – heute wird alles geteilt und verbreitet und in ganz Deutschland ist die Empörung groß. Der Fluch der sozialen Medien. Dabei ist nichts Schlimmes passiert: Die Hochschule Schilda hat jetzt ein anderes Gedicht, dafür prangt das Gomringer-Gedicht an einer anderen Hauswand irgendwo in der Nähe – mehr Kunst im öffentlichen Raum statt weniger, also alles gut.
bullitt
„Kann das nicht endlich mal aufhören, dass ständig Leute in der Öffentlichkeit Meinungen äußern und Forderungen erheben dürfen, die mich aufregen?“ Ich überbringe ungern die schlechte Nachricht, aber genau das ist Meinungsfreiheit, dass Leute alles mögliche meinen und fordern können…
Wenn bewusst diffamiert, fehlinterpretiert, missverstanden wird und Zitate aus dem Zusammenhang und Kunstwerke aus ihrem historische Kontext gerissen werden und unterschwellig zum Boykott aufgerufen wird, kann ich das nur noch schwer als Meinungsfreiheit abtun.
Boykott ist ein gutes Recht, eine ehrenwerte Form des Engagements, und Aufrufe dazu fallen unter den Schutz der Meinungsfreiheit. Aber Fehlinterpretationen und Missverständnisse sind natürlich nervig, wie auch das folgende Beispiel zeigt:
bullitt
Bullschuetz: „Mein Argument war nie, dass PC nicht nerven kann, sondern immer, dass PC ein süßes kleines Luxusproblemchen ist im Vergleich zu einer enthemmten Hasssprache, die vielerorts nach tätiger Umsetzung drängt.“
Hmm, klingt nach Whataboutism. Weil Hatespeech schlimmer ist, darf man PC nicht kritisieren? Verstehe da den Zusammenhang auch nur bedingt.
Du versuchst gerade vorzuführen, was ein bewusstes Missverständnis ist, richtig? Von „Dürfen“ war nie die Rede, aber jede Minute, die man mit Luxusproblemen verbringt, geht ab von der Zeit, die für die wichtigen Dinge bleibt. Und schlechte Feuilleton-Texte oder ausgestellte „wokeness“ sind nun mal ein Luxusproblem. Der Zusammenhang ist auch ganz offensichtlich: Es geht jeweils darum, wie in öffentlichen oder halb-öffentlichen Räumen gesprochen (bzw. geschrieben) wird oder werden soll, und welche Vorstellungen, Gedanken, Ideen damit transportiert werden. Und da sind gut gemeinte, aber irregeleitete Versuche, die Welt zu verbessern, sicher nicht das Hauptproblem. Kunst und Kultur werden das überstehen. Obwohl es nervt, wenn Leute ihr eigenes Gefühl (des Beleidigtseins oder dergleichen) zum Maß aller Dinge machen, statt sich die Sachen im Kontext zu erklären.
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To Hell with Poverty