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pfingstluemmelSiehste, da sind die Beyoncé-Sympathisanten, mozza. Ich empfehle Herrn Rossi mal die alten Ausgaben des Rolling Stone durchzublättern und sich die Artikel über Destiny’s Child durchzulesen. Gott und Vater spielen eine dermaßen wichtige Rolle im Leben Beyoncés, dass es schon nicht mehr feierlich ist. Daher auch meine Jackson-5-Assoziation. Keine Ahnung, ob der Familientyrann gestürzt wurde und die neue musikalische Ausrichtung dort wurzelt oder sie einfach (ganz traditionell) vom Vater dem Ehemann übergeben wurde, es bleibt eine klaffende Lücke. Vom Saulus zum Paulus, vom destiny’s child zur Beyoncé.
good kid, m.A.A.d city erschien wiederum gut ein Jahr vor Beyoncé.
Ich kenne den Artikel und zig weitere. Wer sich auch nur halbwegs für Pop interessiert, der kam an Beyoncé in den letzten 21 Jahren nicht vorbei. Weil sie in diesen 21 Jahren nicht einen Karriereknick hatte. Das ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen der Pop-Geschichte und es ist ziemlich lächerlich zu meinen, dass eine Künstlerin dieser Größenordnung in all den Jahren nur eine Marionette in den Händen von Männern gewesen sei. An ihrem frühen Aufstieg hatte der autoritäre und karrierefixierte Vater offenkundig starken Anteil, aber diese Art Eltern steht nun mal hinter vielen der ganz großen Künstler und Sportler.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass er in der frühen Phase auch noch das Image der Tochter stark mitprägte, was soll eine 17-, 18-jährige dem auch entgegen setzen. Aber die Motive von Selbstermächtigung und weiblichem Selbstbewusstsein tauchen von Anfang an in ihren Songs auf, ebenso auch musikalischer Mut – ihre Hits waren selten von der Stange. Wer Beyoncé in all den Jahren verfolgt hat, dem kann das eigentlich nicht entgangen sein. Das wurde auch durchaus von der Musikkritik anerkannt, schon in den 2000er Jahren sah man Hit-Singles von Destiny’s Child und Beyoncé regelmäßig in Jahresendlisten. Aber die Alben waren immer durchwachsen, klassische Killer-Filler-Kompilationen. 2011 hat sie sich geschäftlich von ihrem Vater getrennt. Seitdem hat sie sich nicht mehr darauf konzentriert, Hit-Singles in Serie zu produzieren, sondern ihre Zeit in zwei konsistente, große, musikalisch ambitionierte Alben investiert. Genauso wie ihre jüngere Schwester Solange, die ihr auf dem Weg voranging und von der sie einiges gelernt habe, wie sie sagt. Mit Kendrick Lamar hat das erstmal gar nichts zu tun. „Good Kid …“ war 2012 ein Thema im Rap, aber noch Lichtjahre entfernt vom Crossover-Appeal und popkulturellen Impact von „Butterfly“. Dass er danach auch auf Beyoncés nächsten Album als Feature auftauchte, ist nun kein Wunder. Und natürlich hat sie jede finanzielle Freiheit, bei der Produktion ihrer Alben ganz groß aufzufahren bis hin zu aufwendigsten Video-Produktionen für jeden einzelnen Track.
Alles in allem eine sehr klare und nachvollziehbare persönliche und künstlerische Entwicklung vom Vater-dominierten Teenager zur 37-jährigen Alleinherrscherin, der keiner mehr kann. Wenn Du da eine klaffende Lücke wähnst, dann hast Du schlicht geschlafen seit dem Rolling Stone-Artikel von vor 20 Jahren.
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