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thesidewinder
„Newly Restored Radio Broadcasts“ macht mich allerdings skeptisch, das verspricht nicht gerade Hörgenuss. (Gut, mit den Radio Broadcasts von Charlie Christian lässt sich das natürlich auch nicht vergleichen, die klingen nämlich wie in der Duschkabine aufgenommen.)
Bei Blue Note wurden diese Aufnahmen (die nur teilweise davor auf diversen Bootlegs kursierten) immerhin tatsächlich „restored“ – bei fast allen anderen in dem Geschäft (die ganze Spanier-Mafia mit Labels wie Rare Live Recordings, Lonehill, Gambit, Domino, you name it) ist das in der Regel nur eine dreiste Lüge – da schert sich keiner um korrekte Abspielgeschwindigkeit oder sowas (ich kenne das selbst auch nicht mehr, aber bei Tonbandgeräten war die halt variabel und man stellte bei der Wiedergabe am besten wieder dieselbe Abspielgeschwindigkeit ein wie bei der Aufnahme).
Wichtiger aber: Live-Aufnahmen, gerade solche, die nicht gezielt für ein Label und eine Plattenveröffentlichung gemacht wurden (Blue Note war da übrigens ein Pionier) sind allerdings in vielen Fällen ein wichtiges Korrektiv zu den begrenzten Möglichkeiten oder den oft etwas domestizierten Vorgängen im Studio. Bei Davis ist der Unterschied aber besonders eklatant, denn so heiss und gut drauf wie auf diesen Live-Aufnahmen klingt er wohl erst bei den Sessions von 1954 wieder (und auch danach nicht immer, das Quartett-Album mit Garland ist ja z.B. nochmal eine ziemlich müde Angelegenheit). Aber grundsätzlich ist das auch bei Basie oder Ellington so: die Radio-Mitschnitte zeigen halt, wie die Band „on the job“ klang. Im Studio wird stets irgendwas hergestellt oder dargestellt und das dann eingefangen und abgebildet. Die Situation ist völlig anders als live, und gerade bei Bands, die z.B. wöchentlich irgendwo übertragen wurde, war dies auch wirklich eine Routine, die vermutlich wenig zur Veränderung der Situation führte (gut, vielleicht machte man sich eher mal Gedanken, wie man das 30minütige Radio-Set dramaturgisch gestaltet, im Club dauerten die Sets in der Regel ja wohl etwas länger – aber oft blenden solche Radio-Mitschnitte auch einfach aus, mitten in einem Stück, wenn halt die Zeit um war).
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