Antwort auf: Was liest der Forumianer im Moment?

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motoerwolf

Registriert seit: 25.10.2006

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Die Autobiografie von Höß habe ich jetzt durch. Und zwar in gewisser Weise eher durchgestanden als durchgelesen.
Ein wirklich schwieriges Buch. Das fängt schon damit an, dass das jeder Autobiografie innewohnende Problem der hohen Subjektivität und der Frage nach der Intention des Autors hier eine besondere Rolle spielt. Wie ehrlich ist Höß? Faktische Fehler sind natürlich enthalten, aber nicht zwangsläufig ein Indiz für bewusstes Lügen. Wenn man die Umstände beim Schreiben bedenkt, sind sie sogar zu erwarten. Sie, die überprüfbaren Fakten, sind aber auch nicht das eigentlich interessante, sondern der Einblick in das Seelenleben eines Menschen, der als Kommandant ein Vernichtungslager leitet. Diesen gewährt uns Höß. Wenn er denn die „Wahrheit“ sagt.
Nehmen wir an, er habe beim Schreiben tatsächlich versucht, seine Antriebe, Vorstellungen, Gefühle ehrlich zu beschreiben. Dann ist er, obgleich er das genau andersherum sehen würde, ein schrecklicherer Mensch, als wäre er einfach ein Sadist.
Er schildert sich aber als durchaus mitfühlend, schafft es dabei aber immer wieder, mehr Selbstmitleid zu haben als echte Empathie für seine Opfer.
So musste er es ertragen, Mütter mit ihren Kindern ins Gas zu schicken. Wie schlimm für ihn, standen ihm dabei die eigenen Kinder stets vor Augen. Aber das war nun mal seine Aufgabe, und egal was ein Vorgesetzter verlangt, ein Höß widmet sich jeder Aufgabe mit vollem Einsatz.
Wie gesagt, ich fand das Buch schwer, niederdrückend. Ein Amom Göth ist ein seiner Monströsität letztlich doch einfacher zu ertragen als Höß, der fast ein normaler Mensch mit ausgeprägten (preußischen) Tugenden zu sein scheint. Letztlich zeigt das Buch, wie wenig den Menschen vom Monster trennt. Keine neue Erkenntnis, aber dennoch nicht leicht zu ertragen.

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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame