Antwort auf: James Brown

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bullschuetz

Registriert seit: 16.12.2008

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Ich habe keine ausführliche Rückmeldung gegeben, weil ich ueber das, was Du ausfuehrst, hinaus nichts mehr beitragen kann. Dass JB ein schwieriger, gebrochener, erratischer, teils auch schlicht unangenehmer Charakter war, ist ja vielfach belegt. Was da in der Psyche begründet liegt und was in den sozialen Umständen? Ich glaube, es ist gerade typisch, dass sich das nicht trennen lässt und sich gegenseitig zu bedingen und zu verstärken scheint. Ganz ähnlich nehme ich das bei Nina Simone war: Manisch-depressiv zu sein, ist ja erstmal eine individuelle Diagnose – gleichwohl kann ich das nicht abgekoppelt sehen von den ueberindividuellen Zeitumstaenden: Geschlechterrollen, soziale Verhältnisse, rassistische Diskriminierung. Oder Miles Davis: Was ist da rein persönliche Arschlochhaftigkeit, was Reaktion auf Ohnmachtserfahrungen? Ich denke, all diese schwarzen Kuenstlerpersoenlichkeiten der 50er- und 60er-Jahre lebten unter schizophrenen Bedingungen zwischen ungewöhnlichen Macht- und radikalen Ohnmachterfahrungen: gefeiert und prominent und dann doch oft genug wieder behandelt wie der letzte Dreck. Das muss ja förmlich zu extremen Reaktionen führen – im Fall von JB findest du da sowohl Ueberanpassung an und Ueberidentifikation mit weißen Machthabern (vom Manager bis zu Präsident Nixon) als auch das Bedürfnis nach Selbstermaechtigung, das in Machtmissbrauch gegenüber Untergebenen und offenbar auch Frauen umkippen kann.

Ich will da nichts entschuldigen. Ich weigere mich eben nur, JBs Verhalten in rein psychopathologischen Kategorien zu erklären. Ohne die krankmachenden Begleitumstaende einer sozial ungerechten, ausgrenzenden, rassistischen Gesellschaft lässt sich diese schwierige Persönlichkeit nicht erklären.

Und die Musik ist und bleibt epochal.

zuletzt geändert von bullschuetz

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