Antwort auf: Die wunderbare Welt der Oper

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speed-turtle

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gypsy-tail-windDemnächst läuft auf 3sat die neue, anscheinend in fast jeder Hinsich (Orchester, Besetzung, Regie) miserable „Zauberflöte“ aus Salzburg … aber am 11.8. folgt dann die „Salome“, die in der NZZ gerade dickes Lob kriegte – hier die Doppel-Kritik von Eleonore Büning, in der zuerst die „Zauberflöte“ abgewatsch wird: https://www.nzz.ch/feuilleton/salzburger-festspiele-sie-sind-das-liebespaar-des-jahrhunderts-ld.1407394

Danke @gypsy-tail-wind für den Hinweis auf die Übertragungen!
War nach der Ankündigung ja zu einer entschiedenen Verteidigung der so verissenen ZAUBERFLÖTE wild entschlossen (ohne zu diesem Zeitpunkt schon etwas davon zu kennen, nur hat Frau Büning in letzter Zeit für meinen Geschmack so oft so gründllich daneben gelegen, dass ich bei allem Respekt vor ihrer früheren Treffsicherheit überzeugt war, sooo schlimm könne es gar nicht gewesen sein).
Und nun hab ich doch tatsächlich bis halb zwei in der Nacht mit Kopfhörern vor der Glotze gehockt, weil ich von der SALOME einfach nicht los kam, in die ich eigentlich nur mal kurz hatte reinschauen wollen, während die ZAUBERFLÖTE seit zwei Wochen darauf wartet, dass ich sie endlich weiter gucke, um mir ein vollständiges Urteil zu bilden.
Klarer Punktsieg also schon mal für (den von mir grundsätzlich eher nicht so innig geliebten) Strauss.
Und das, obwohl ich mich von der TV-Bildregie ein bisschen im Stich gelassen fühlte. Wie sehr der optische Eindruck vom Wechsel der Kameraperspektiven profitieren kann, hatte ich erst kürzlich wieder beim direkten Vergleich der Aufzeichnung mit der zuvor live erlebten Bayreuther LOHENGRIN-Premiere bestaunen dürfen, deren bläulich-zwielichtige Dauerstandbilder ich im Festspielhaus noch gelangweilt bis verärgert zur Kenntnis genommen hatte und die im TV plötzlich viel lebendiger erschien (allerdings akustisch auch die musikalischen Schattenseiten schonungslos offenbarte).
In der Salzburger Felsenreitschule wäre es angesichts der buchstäblich unüberschaubaren Bühnen-Dimensionen noch viel dringender geboten gewesen, weniger statisch auf Sänger*innen-Großaufnahmen zu setzen, sondern öfter auch mal das entlegenere Parallelgeschehen mit einzufangen, um wenigstens ansatzweise einen Eindruck von der Szenerie und ihrer Entwicklung zu vermitteln. Man wusste oft gar nicht, wer gerade noch so auf der Bühne oder warum der Hintergrund plötzlich blutrot oder nachtfinster war und musste sich aus den gezeigten Puzzleteilen Einiges zusammenreimen, wodurch das Ganze vermutlich noch verrätselter wirkte als ohnehin schon.
Warum es trotzdem derart fesselte, dass jede mitternächtliche Müdigkeit bis zum frenetischen Schlussapplaus wie weggeblasen war, liegt ganz sicher in allererster Linie an der – man muss es so sagen – Idealbesetzung der Titelpartie mit der in jeder Hinsicht phänomenalen, atemberaubenden, sängerisch und darstellerisch alle Register ziehenden und mit wie naturgegebener Selbstverständlichkeit beherrschenden Litauerin Asmik Grigorian, deren schier unglaubliche Intensität, Präsenz und Präzision bis in den winzigsten Augenaufschlag hinein eine Regie fast überflüssig machte, weil sie im kongenialen Zusammenspiel mit den unter Welser-Möst so klug akzentuiert wie farben- und nuancenreich brillierenden Wiener Philharmonikern sämtliche Facetten dieser vielschichtigen Figur aus sich heraus geradezu umwerfend sinnlich zum Vorschein brachte.
Hat man je eine derart „komplette“ Salome auf der Bühne gesehen? Die Frage ist ernst gemeint, denn zumindest ich kann mich unter allen, die ich bisher erleben durfte, von Inga Nielsen bis zuletzt (die ebenfalls aus Litauen stammende) Ausrine Stundyte, an keine erinnern.
Aber Oper ist auch Mannschaftssport, erst eine durchgehend adäquate Ensembleleistung auf Augenhöhe hat das Zeug zu einer wirklichen Sternstunde. Dass das hier weitestgehend gelungen ist, macht aus dem Abend einen bei diesem Stück seltenen Glücksfall, wobei ich Anna Maria Chiuris wahrhaft „furios“ auftrumpfende Herodias vielleicht noch besonders hervorheben sollte.
Ein wenig enttäuschend blieb für mich einzig John Daszak als Herodes, der im Vergleich sängerisch unsouverän und darstellerisch blass wirkte, anders als der jüngst von mir in der Berliner Neuenfels-Produktion erlebte Gerhard Siegel, ganz zu schweigen natürlich von dem in dieser Partie für mich nach wie vor unübertroffene Maßstäbe setzenden Reiner Goldberg seinerzeit.
So schrammt der Abend insgesamt denkbar knapp an einem veritablen Wunder vorbei, aber Sternstunde und „seltener Glücksfall“ ist ja auch schon nicht schlecht, und für Asmik Grigorian ein hochverdienter Triumph, der ihre Karriere in ganz neue Bahnen lenken dürfte.
Nochmals: Danke für den Tipp!

zuletzt geändert von speed-turtle

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Musik ist nicht was sie ist, sondern was sie den Menschen bedeutet. (Simon Rattle)