Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Über die Klasse der Klassik › Ich höre gerade … klassische Musik! › Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!
Während Klein-Kosovo es den Gross-Serben knapp doch noch gezeigt hat, war ich in der Tonhalle – darum herum kurz vor Anpfiff und Konzertbeginn hordenweise prollige Serbien-Fans (nicht dass die Mehrzahl der Schweizfans nicht auch prollig wirken, wenn sie so im Rudel herumziehen, aber Nationalismus kommt da meistens kaum zum Vorschein, da ist man irgendwie skeptisch, auch wenn viele davon dann wieder SVP wählen gehen).
Jedenfalls war es fulminant. Manfred Honeck gastierte erst zum zweiten Mal beim Tonhalle Orchester, er sprang ein für Haitink, ich erwähnte es anderswo wohl schon (dieser stürzte vor zwei Wochen, passiert sei ihm nichts, aber es müsse dennoch etwas pausieren) – in der zweiten Hälfte wurde daher nicht Schumann 2 sondern Brahms 4 gegeben, doch das Hauptmenu gab es vor der Pause: zum Auftakt eine fulminante Egmont-Ouvertüre, danach Frank Peter Zimmermann mit dem Beethoven-Konzert. Schlicht grossartig, was er damit anstellte und wie das Orchester mit ihm ging. Für kurze Momente hatte das den süssesten Schmelz, den man sich nur denken kann, dann wiederum ging es fast schon schrammelnd zur Sache, die schnellsten Passagen wurden noch ausgestaltet und wirkten leicht, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Eleganz wäre ein völlig falsches Wort, Leichtigkeit ist es auch – jedenfalls nach dem ersten Hören (Brahms unter Zinman, auch in der Tonhalle) ein weiteres grossartiges Konzert mit dem geschätzten Solisten, der dann noch etwas Bach spielte, nach riesigem Applaus. Brahms 4 dann … hm, das Ding ist einfach laut, selbst wenn es so gut geformt ist wie Honeck das mit aktiver Mithilfe des Orchesters tat (darin ziemlich das Gegenteil der durchfrenetisierten Fassung, die ich 2017 unter Heras-Casado hörte – das war dort eigentlich fast nur plump). Aber gut, Brahms 4 ist einfach laut und nicht sonderlich differenziert in der Ausgestaltung, dünkt mich … so ganz begreife ich das Ding nicht, auch wenn das erste Thema schon sehr catchy ist und die Passacaglia ziemlich toll. Aber irgendwie kommt mir das schon auch alles ein wenig wie Holzhammer-Musik vor – immer wieder wird etwas abgebrochen und neu angesetzt, aber dann kommt doch wieder die gleiche Idee, die gerade auf halbem Weg abgesägt wurde. Ganz anders Beethoven – im Konzert habe ich noch nicht sehr viel gehört, die Symphonien 7 & 8, die Klavierkonzerte 4 & 5, etwas Kammermusik, ein paar Klaviersonaten, und heute eine Ouvertüre und das Violinkonzert – das alles fand ich jedenfalls stets enorm reich und beeindruckend, und das kann ich bei Brahms so nicht ganz behaupten, zumal nicht bei der Orchestermusik, wo ein gewisser Zwiespalt bleibt.
—
Das anstelle einer ordentlichen Rezension, denn in Laune zum Schreiben bin ich nicht (das tolle Konzert des Jazztrios WHO – Wintsch-Hemingway-Oester – vom Dienstag bleibt auch ohne Besprechung). Was nun? Richter mit Bach natürlich:
CD 3 läuft gerade zum zweiten Mal nach gestern spät. Ich merkte dann auch, dass in der grossen Decca/Philips/DG-Box nochmal zwei oder drei CDs mit Bach aus demselben Jahr (1991) zu finden ist – teils die selben Werke. Die CDs liegen auch schon bereit.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba