Antwort auf: blindfoldtest #26 – wahr

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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@vorgarten: Ich habe in den 70ern noch die Nachwehen, der „exotischen Spiritualismus-Welle“ mit ansehen und -hören können, ohne persönlich daran beteiligt zu sein. In den Zimmern von Gymnasiasten und Studenten wimmelte es neben Yucca-Palmen, Räucherstäbchen und Batik-Tüchern von Symbolen des Großen Mantras, Romanen von Carlos Castaneda und Platten des britischen Blues-Gitarristen John McLaughlin, der mit indischen Musikern spielte. In den Fußgängerzonen sangen die Hare Krishnas und der Alptraum vieler Eltern war, dass die Tochter des Hauses zu „den Bagwahns“ überlief. Der Lebenstraum einer halben Generation war, mit dem VW-Bus nach Indien zu fahren.

Wie ernst man das nehmen durfte, lasse ich mal dahingestellt und vor allem mache ich hier keine Aussage über die Coltranes et al. Bzw.: Ich nehme Alice Coltrane absolut ab, dass das ihr heiliger Ernst ist/war. Ich stelle nur fest, was für Konnotationen „diese Musik“ haben kann und wie die Konnotationen sich offenbar über die Zeit ändern bzw. von einem wechselnden Publikum unterschiedlich wahrgenommen wird.

Heute sah ich beim Spaziergang eine hochschwangere Frau mit einem The Doors-T-Shirt. Ich dachte: The Doors und Familiengründung: Interessantes Experiment! ;-)

Ach, und die gute alte Geschichte des Kulturklaus von Weiß bei Schwarz! Ich habe White Tears nicht gelesen und die Rezension changiert ein wenig zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit, insofern ist es schwer, darüber was zu sagen. Sollte man sich nicht von dem Glauben an Authentizität verabschieden? Die wird immer wieder im Fremden und vermeintlich Ursprünglichen gesucht, bis sie sich abgenutzt hat und die Spirale sich weiterdreht. Und dann stellt man fest, dass hinter dem Ursprünglichen etwas noch Ursprünglicheres steht, das ist wie mit den Matrjoschka-Puppen oder den Schalen der Zwiebeln. Am Ende bleibt nichts mehr übrig – und dann sucht man sich was ganz besonders Un-Authentisches und ist camp. Der Begriff des Hipsters hat sich inzwischen ja fast schon erledigt. Hip ist das neue square.

Ich hatte letztens in ähnlichem Zusammenhang die Geschichte von Mississippi John Hurt erwähnt.

Mit einer kleinen Alltagsbeobachtung möchte ich ja gar nicht erst anfangen: Treffen sich eine Türkin, ein Grieche, eine Italienerin und ein Deutscher morgens im Büro in der Teeküche. Fragt der Deutsche: „Wie wird Kaffee eigentlich richtig zubereitet?“

;-)

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)