Antwort auf: Jazz-Neuerscheinungen (Neuheiten/Neue Aufnahmen)

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gypsy-tail-wind
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Ich komme bei Matthew Shipp überhaupt nicht nach, habe das aber auch nie ernsthaft versucht, denn zu oft komme ich an seine Musik nur halb heran – so auch zuletzt, als er solo am Taktlos Festival spielte (gibt es bei Hat auf CD, „Invisible Touch at Tatklos Zürich“). Das Duo mit Roscoe Mitchell auf der RogueArt-CD stammt vom August 2005 und kam Anfang dieses Jahres heraus – Mitchell spielt leise Flötenpassagen und zupackende, sich überschlagende Saxophonkaskaden. Shipp ist auch mal allein zu hören, die 46 Minuten wurden in sieben Segmente aufgeteilt, laufen aber unterbruchsfrei durch. Intensiver Stoff, aber wiederum einiges musikalischer als ich das Duo mit Sabir Mateen in Erinnerung habe, das ich auch live sah und auf CD da habe (SaMa Live in Moscow, 2009).

Im April 2017 wurde „Seraphic Lights“ mitgeschnitten – „Live at Tufts University“, wie der Untertitel der Veröffentlichung auf AUM Fidelity sagt. Diesmal ist Shipp im Trio zu hören mit William Parker am Bass und Daniel Carter, der der Reihe nach an der Flöte, der Trompete, dem Tenorsaxophon, der Klarinette, dem Altsaxophon, dem Sopransaxophon und zuletzt wieder dem Altsaxophon zu hören ist. Die Flöte dient auch hier als eher ruhiger Einstieg, an der Trompete und am Tenor geht es dann richtig los, Shipp spielt ensembledienlicher als er das mit Mitchell tut (oder tun müsste), das Trio funktioniert sehr gut, William Parker sagt mir hier durchaus zu ( :bye: @vorgarten :-) ). Die Grundstimmung ist düster, nachdenklich – vielleicht als Schatten der vorangegangenen Diskussion über „Art, Race, and Politics in America“? Davor war schon als erster Teil des dreiteiligen Abends Edward E. Blands Film „The Cry of Jazz“ (1959, u.a. mit Sun Ra) gezeigt worden. Kammermusikalisch geht es nach dem Einstieg auch später ab und zu her … doch das ganze Set klingt emotional aufgeladen und intensiv, auch in den ruhigen Passagen oder den geordneten Momenten. Die drei Teile sind hier recht unterschiedlich, der dritte mit Applaus abgesetzt. Am Ende des zweiten spielt Carter Altsax mit schwerem Ton, der sehr gut in die Atmosphäre des Konzertes passt, den dritten öffnet er dann am Sopran – doch egal, was er gerade spielt, das Trio verschmilzt, Shipps dichte Akkorde, die Linien seiner rechten Hand, die Basslinie Parkers, die Girlanden Carters, das alles wird zu einem changierenden Teppich, einem dichten Geflecht, das niemals aufhört, sich zu verändern … sehr toll!

Danke für den Hinweis auf die Shipp-Neuheiten @atom – mal schauen, ob ich auch noch weitere anschaffe …

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba