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So, dann mal ein paar Anmerkungen zu den Alben, die ich kenne. Habe die letzten Wochen 44 Jahre Dr. John chronologisch genussvoll gehört. Die Sterne sind die Wertung eines geneigten Hörers. Der objektiv Veranlagte mag seine persönlichen Abzüge vornehmen.
1968 Gris Gris
Die Sterne der Einzeltitel in eine Topf geworfen und dividiert durch die Anzahl der Titel ergibt **** (mit „Danse Kalinda Ba Doom“ und „Croker Courtbullion“ kann ich wenig anfangen).
1969 Babylon
Babylonisches Instrumentengewirr ist hier in der Tat vorhanden. Klingt eher nach Free Orleans als nach New Orleans. Im stilistischen Niemandsland. Wahrscheinlich vor allem für Komplettisten interessant. Ich mag es trotzdem. ***
1970 Remedies
Ein Album mit 2 verschiedenen Seiten. Die A-Seite 5 absolute Party Kracher. Seite B 1 Titel mit über 17 Minuten. New Orleans-Psychedelic. Das machte man damals gerne so, sich mal so auszulassen. In diesem Fall packt es nicht, ist aber dennoch goutierbar. Seite 1 ***** Seite 2 **1/2
1972 Gumbo
Hier ist er völlig weg von psychedelischen sowie Voodoo – Einflüssen der Vorgänger. New Orleans goes Rock'n'Roll. Mein liebstes Album aus der Frühzeit. Produced von Wexler / Battiste. *****
1973 In The Right Place
Hier mit ersten Soul und Funk – Einflüssen. Sicherlich auch weil produziert von Allen Toussaint. Auch die Meters sind zum Teil dabei. Incl. der Urversion von Such A Night, das den meisten aus The Last Waltz bekannt sein dürfte. ****
1973 Mike Bloomfield – John Paul Hammond – Dr. John: Triumvirate
Mit Backgroundsängerinnen und Bläsern. Also kein reines Dreier-Projekt. Dr. John steht auch nicht ausschliesslich aus alphabetischen Gründen an letzter Stellen. Gesang von ihm ist nicht zu hören. Somit fehlt der unverwechselbare gepresste Singsang. Stilistisch heterogenst: Blues, Funky, Balladen. ***1/2
1974 Desitively Bonnaroo
Schon nach 3 Takten hört man, dass hier wieder Allen Toussaint als Producer sowie Mitmusiker seiner Finger im Spiel hat. Lässig funky mit Horns und Backgroundsängerinnen. Eingestreut New-Orleans.Zeitlupensoul wie auf der grandiosen Nummer Me-You=Loneliness. *****
1975 Hollywood Be Thy Name
Chronologisch betrachtet die erste mir bekannte Live-Scheibe. Keine Besetzungsangaben und kein Ort auf dem Cover. Offensichtlich zusammengestückelt. Kein durchgängiges Konzert. Manches klingt sogar wie live im Studio aufgenommen – oder sogar Resteverwertung aus dem Studio (aber kein Abfall !). Bläser und Backgroundsängerinnen sind dominant. Rock And Roll ist diesmal angesagt, gewürzt natürlich mit seinem New Orleans Piano + Grunzen. ***
1981 Dr. John Play Mac Rebennack
Stilbruch ! Klassisches Solo-Boogie-Woogie-Piano. Nur auf 2 Nummern Gesang. Allgemein hochgeschätzt. Bei mir nur **. Nicht wegen der Interpretation, sondern wegen des Stils. Mag ich nur eingestreut, aber nicht auf Albumlänge.
1983 Chris Barber & Dr. John: Mardi Gras At The Marquee
Komisches aber gutes Album. Dixie-Einflüsse sind nur marginal zu hören. Ab ehesten noch im Opener. Ansonsten alles sehr auf Dr. John zugeschnitten. 12 von 13 Titeln sind Klassiker von Dr. John. Live. Aber irgendwie kein durchgängiges Konzert. Zwischen den Tracks ist jeweils Pause. Erschienen auf dem hochkarätigen Jazz-Label Timeless. Deshalb steht Chris Barber als Eye-Catcher wahrscheinlich auch vorne. ***1/2
1989 In A Sentimental Mood
Nach 5 Jahren selbst touren, als Sideman andere Grössen begleiten, viel rumziehen auf Festivals wieder ein Album. Und ganz was anderes: Jazz, vorwiegend Balladen ! In mittlerer Besetzung umgesetzt. Makin Whoopie im Duett mir Rickie Lee Jones. Ist für meisten hier sicherlich nicht der richtige Einstieg, wahrscheinlich auch später sogar ein verzichtbares Album. Da ich die Standards kenne und Dr. Johns knarzige Stimme sich an ihnen reibt, mag ich das Album trotzdem. Auch wenn seine 2. Qualität, das hämmernde Piano, etwas zu wenig zum Zug kommt ***
1990 Bluesiana Triangle (3 Leader: Art Blakey + David Fathead Newman + Dr. John)
Je nach Titel ein Mixtur zwischen Blues und Combo-Jazz, aber doch nicht. Irgendwie bringt jeder der 3 Leader gleichberechtigt seinen Horizont ein. Das mag ich. Wenns kaum zu definieren ist. ****
1991 Bluesiana II
Diesmal ist zusätzlich auf einigen Titel dominant noch Ray Anderson dabei, der dem Ganzen noch einen Funky-Posaunen Einschlag gibt. Hat Blues. Hat Jazz. Hat Fusion. Hat Funk. ***1/2
1992 Going Back To New Orleans
Hab das Gefühl, dass dieses Jahr 92 eine Wendepunkt für Dr. John. Die New Orleans-Wurzel stehen wie es der Titel schon verspricht wieder im Vorgergrund, aber kein Dixie-Gescheppere. Brass Band-Elemente hin und wieder. Traditionals (insofern eine Parallele zur Sentimental Mood) der grossen New Orleanser werden zeitgemäss auf seine unnachahmliche Piano- und Gesangsweise neu interpretiert. Mal slow mal faster. Voodoo ist inzwischen und für die Zukunft nur mehr rudimentär vorhanden. Und sehr ansprechend produziert abwechslungsreich arrangiert. *****
1994 Crescent City Gold: The Ultimate Session
Jetzt ist Dr. John mal für einen weiteren Sidestep in einem Dreamteam von aktuellen New Orleans Grössen gelandet (A.Toussaint/Earl Palmer/Alvin Tyler/Lee Allen/Edward Frank). Teilweise typischer verhalteneer Toussaint-Funk, teilweise New Orleans Stampfer, teilweise auch Easy Listening, wenig voices. ****
1994 Television
Das ist nun das Erste von 2 Alben, dass Dr. John für das GRP-Label aufgenommen hat. Ein Label, dem ich an sich immer etwas skeptisch gegenüberstand, da es für mich die schicken anzuggekleideten young urban Jazzer verkörpert, die zwar technisch versiert, aber mit unterdurchschnittliche Seele ihre Alben abliefern. Nicht dass Dr. John hier so auftreten würde, aber ein bisschen was von dem Geist kommt schon rüber. Ausserdem hat er das Album selbst produziert, weil er wohl dachte, dass er inzwischen das selbst kann, was früher Allen Toussaint gemacht hat – nämlich eine funky Produktion. Kann er aber nicht so gut. Ausserdem ist er in weiten Teilen an den Keyboards und nicht am Piano. Und so kommt Mosaikstein zu Mosaikstein, warum dies eines seiner weniger Packenden ist. Die slow Nummern, die nicht funky sind, allen voran das doch wieder leicht voodoo-angehauchte Witchy Red sind klasse, erreichen aber auch nicht die überragende Qualität von früher. *** (ich KANN nicht weniger geben, 1 Stern davon für die Stimme)
1995 Afterglow
Zweite und letzte LP auf GRP. Nicht mehr selbst produziert. Offensichtlich hat man eingesehen, dass das Experiment Television kommerziell und qualitativ missglückt war. An sich ein Duplikat der In A Sentimental Mood – in jeder Beziehung. Das Piano ist etwas stärker zu hören als dort. ***
1997 Trippin Live
Wohl wieder etwas orientierungslos der Gute. „Was habe ich noch nicht gemacht – ja klar eine richtiges Live-Album !“. Aber diesmal war es die richtige Überlegung. Untertitel: „his first official live album“. Und wenn man Live-Alben mag + New Orleans Style = man hier bestens bedient. Traditionals + eigene Klassiker gleich gewichtet. Viel Piano und Spielfreude. *****
1998 Anutha Zone
Nach vielen Jahren stilistischem Hin- und Hers hat der Dr. wieder an seine Wurzeln angeknüpft. Sophisticated Voodoo würde ich sagen. Unterstützt von hochkarätigen (britischen) Musikern aus anderen Kapellen, vorrangig Paul Weller. Ein schönes grooviges, unterkühltes Album, das somit zwar nicht die Leidenschaft der Alben aus der Anfangszeit besitzt. Aber dennoch deutlich höhere Authentizität und Qualität als die Alben der Vorjahre. ****1/2.
1999 Duke Elegant
So ist er halt, unser Doktor. Da hat er mit Anutha Zone an die alten Voodoo-Zeiten angeknüpft und schon kommt wieder ein Jazz-Album. Er interpretiert Duke Ellington Klassiker und bemüht sich, seine Stimmer weniger trashig klingen zu lassen als bisher. Ich finde geglückt. Ausserdem schaut dieses Album nur wie ein Jazz-Album aus, es ist aber kein (kaum) Jazz drin. Es groovt einfach so vor sich hin – und das ziemlich perfekt adaptiert. Oberflächliche Hörer macht er damit aber orientierungsloser und orientierungsloser … ****
2000 with The Donald Harrison Band: Funky New Orleans
Mittlere Aufnahmequalität. Live in einem kleinen Club. Auch improvisierte Jazz-Passagen, bei denen man von Dr. John gar nichts merkt. **1/2
2001 Creole Moon
Klingt teilweise wie die Neville Brothers ohne Falsett-Stimme in ihren besten Zeiten. Irgendwie merkt man, dass sich Dr. John seit 1998 nicht mehr von Marketing-Leuten aus Plattenfirmen vereinnahmen lässt. Ich kanns gar nicht richtig beschreiben wieso. Ist einfach authentisch. Hats wahrscheinlich nicht mehr nötig, dass zu machen, was andere vorschlagen und wünschen. Gottseidank. Voodoo- sowie Jazzähnliche Tracks sind auch dabei. Unverbrauchte Begrifflichkeiten fallen mir nicht mehr ein. Aufgrund der Stilvielfalt kann das eigentlich kein Marketingprodukt mehr sein. Dr. John macht was er will und EMI darf höchstens noch die Reihenfolge bestimmen. Glaube ich herauszuhören. Hoffe es. ****
2004 N'Alinz Dis Dat Or D'udda
Grandioses Alterswerk der alten Grunzers. Obwohl eigentlich nur die alten Rezepte verwurschtelt sind: Funk, New Orleans-Style, Background-Sängerinnen, Horns. Dr. John wird hofiert durch Gastauftritte von Mavis Staple, Cyril Neville, BB King, Clarence Gatemouth Brown, Randy Newman u.a. So macht man das bei EMI wohl heute. Seine eigenen Voices sind nicht mehr so reibend wir früher. Das tut der Qualität aber keinen Abbruch, deshalb *****
Compilation: Loser For You Baby
Keine Angaben von wann die Aufnahmen stammen. Wohl unveröffentlichtes Material aus der Mitt-Siebzigern. Sehr ordentliches Niveau. Label Zillion. Ausser Zu Zu Man keine bekannten Nummern drauf. Diese Compilation hat auf jeden Fall ihre Berechtigung. ****
Compilation: Zu Zu Man
seltsames Stück ! Sind Sachen drauf wie Grass Is Greener oder Did She Mention My Name, die als schwarzer sixties Soul undiskutiert anerkannt werden können. Keine näheren Angaben zu Besetzung / Vocals. Aber eigentlich kann bei diesen Titeln Dr. John hier nicht selbst singen. Ansonsten immer wieder Bläser, keine scharfen aber untermalende. Kein Voodoo. Für mich persönlich aber das gleiche Niveau wie die regulären Alben um 1970 plus/minus 2 Jahre. Eine komische aber klasse Compilation. *****
Compilation: Storm Warning (1960-1962)
Die frühen Jahre halt. Nett und aufschlussreich, wenn man schon mehr kennt. Erste Gehversuche. Die unverwechselbare Stimme ist schon da. Der eigene Stil konnte noch nicht gefunden sein. Eigentlich ein recht beliebiges Tondokument aus der damaligen Zeit. Mir gefällts trotzdem. ***
Credits: atom
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