Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

#10480863  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 66,998

soulpope
… um mit Deinem Eingangsstatement zu beginenn finde ich es wiederum ermüdend wenn immer wieder neue Jungstars – übrigens wer bestimmt den Status, ab wann ist man Altstar und warum gibt es hier nicht den im Sport verwendeten All-Stars (Antwort : Dieser Wertung wird zumeist in einer Abstimmung von Fach- und nicht Marketingleuten vergeben – Letztere setzen einfach lieber auf ein Pferde und kanalisieren die Budgetmittel) – propagiert werden und falls die Verkaufszahlen nicht stimmen ebenso schnell unter die künstlich geschaffene Wahrnehmungsgrenze abtauchen.

Gut, da hast Du natürlich völlig recht … und ich ignoriere diesen Mechanismus auch fast gänzlich. Levit ist da eine Ausnahme, ich wurde da vom selben Ex-Fori angefixt, der mir auch Trifonov verklickern wollte, aber eben, bei letzterem hat es bei mir auch nicht so prächtig geklappt und Levit/Bringuier halte ich wenigstens mit Brahms obendrein (ich kenne Bringuier praktisch nicht, habe ihn in seiner Tonhalle-Zeit trotz meiner vielen Konzertbesuche in den letzten beiden Saisons nur zwei oder dreimal gesehen, weil mich die von ihm dirigierten Konzerte alles in allem einfach weniger ansprachen als diejenigen mit Gästen) für eine potentielle Fehlkombination … ich kann mir eben mach dem Berlioz durchaus vorstellen, dass Bringuier/Levit/Ravel/Gershwin viel besser passte oder eben dass Bringuier im französischen Repertoire wirklich besser ist (der Belioz bei dem Konzert legte das schon nahe, auch wenn ich den Teil ja auch nicht vollends überzeugend fand, was aber auch mit Berlioz‘ Musik zu tun hat).

soulpope
Der Vergleich mit den jungen Innovatoren des Jazz endet halt schnell bei der unterschiedlichen Art sich selber individuell einzubringen zu können aka Interpretation/Improvisation, welche bei der klassischen Musik vergleichsweise eingeschränkt ist (Shura Charkassky spielte bei seinen später Konzerten die einen oder andere falsche Note, wobei ein Kenner/Liebhaber sinnigerweise vermeinte, daß der Vortrag dermassen überzeugend war, daß dies unter Interpretation im weiteren Sinn bzw beginnende Improvisation zu subsumieren sei …. aber was würde da die Puristen sagen …..). Bei klassischer Musik ist aufgrund der vorgenannten Einschränkung natürlich die Aufmerksamkeit fast zwangsläufig auf Notentreue, Tempovorgaben und (Klavier) Anschlagskultur gerichtet ….

Da bin ich eben nicht ganz sicher. Der Vergleich hinkt aber sowieso, das ist mir schon klar, es geht oder ging wenigstens damals in vielen Fällen auch um Lebenshintergründe, Erlebtes, Erlittenes, der Jazz stammte in der Zeit in vielen Fällen aus soziokulturellen Milieus, die ihn irgendwie prägten und beeinflussten – das hat sich heute vielerorts geändert (man muss ja wohl auch sagen: zum Glück – aber damit hängt wohl auch die Veränderung des Jazz zusammen, die Akademisierung usw.) … es gibt inzwischen ja auch im Jazz längst die Rösslein (ob sie Francesco Cafiso oder Grace Kelly oder [em] oder sonst ein ACT-Act sind, ist mir dabei völlig Wurst, es gibt auch bei den Rösslein unterschiedliche Wettkampfklassen), bei denen ich mich frage, wo die Substanz abgeblieben ist. Andererseits, wenn man sich Glenn Gould anschaut (ein Solitär, gewiss, und daher kein gutes Gegenbeispiel), besteht ja die Möglichkeit eines jungen Musikers mit eigenen Ideen und viel Talent schon, es gibt da ja noch andere Beispiele, etwa Julius Katchen … aber wohl auch so manche, bei denen man argumentieren könnte, dass sie später besser wurden, wobei das „später“, das Katchen vergönnt war, ja nicht lange dauerte).

soulpope
… bei aller Mentalreservation dem Hr. Ender gegenüber (seine Klassikrezensionen im „Standard“ verdienen zumeist diesen Begriff nicht den auch Provokation sollte zumindest von der Basis her intellektuell unterfüttert sein ….) gibt sein Gschreibsel – mglw unbeabsichtigt – den Trifonovauftritt wieder

Den Vorwurf machte clasjaz ja neulich der Rattle-Rezension von Christian Wildhagen – ich kam da in die Bredouille, weil ich mich auf dem mir neuen Territorium Mahler nicht genügend auf meine Ohren verlassen mochte (dabei haben andere, später gelesene Eindrücke meinen persönlichen Eindruck eben bestätigt: Wildhagens für einmal nicht so durchdachtes Geschreibsel war eben *kein* Spiegel des tollen Konzertes, es war vielleicht ein Spiegel seiner Wahrnehmung, der dann aber zwischen den Zeilen stattfand, denn an der Textoberfläche sagte er ja doch dasselbe, woran ich nach wie vor festhalte: Es war ein Ereignis).

Aber hackln sollt ich auch … auch wenn ich eher „chrampfe“ sagen würde oder – im kreativen Kontext passend, aber natürlich nicht so gemeint – „schaffe“. :bye:

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba