Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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soulpope
"Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

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gypsy-tail-wind

soulpope PS Und die paar Worte zu Mahler 1 entlarven schlussendlich die flache intellektuelle Kurve vollends ….

Ich war ja nicht dabei und weiss es nicht besser, aber das Lamento über die Jungen, die keinen Charakter haben, finde ich auch ermüdend. Trifonovs Liszt-Doppel-CD finde ich jedenfalls ziemlich gut, mit den „Chopin Evocations“ werde ich weniger warm, mit dem älteren Chopin (plus Scriabin) auch eher nicht … aber ich halte da gerne Igor Levit dagegen, der mich schon ordentlich Charakter zu besitzen scheint. Und was mir dann immer wieder im Kopf herumspinnt – und klar kann man das vom soziokulturellen Hintergrund her schlecht vergleichen, aber: wie ging das denn mit all den 18jährigen Jazzern in den Fünfzigern und Sechzigern, von Paul Chambers (oder auch schon: Jimmy Blanton um 1940) bis zu Tony Williams? Warum dort ja, hier nein? Ich habe keine Antworten, aber ich frage mich halt (auch bei mir selbst! – ich will Dich @soulpope hier nicht ungebührlich anpflaumen, nehme nur die Steilvorlage auf und spiele damit weiter, aber nicht auf den Mann, also auf Dich!), ob da manchmal nicht die Wahrnehmung, das aussermusikalische Wissen, uns einen Streich spielt? Blindtests wären eine mögliche Antwort, aber meine eigene Hilflosigkeit in Sachen Klassik blind hören habe ich im GMG-Forum mal erlebt, als ich kaum in der Lage war, ein paar von Bachs Solo-Violinstücken zu beurteilen (ich habe am Ende gar nichts dazu geschrieben, nur äusserst irritiert gehört, mit dem Resultat, dass mir keine Version wirklich noch gefiel, weil ich überall nur auf das „Schlechte“ oder „Schwache“ hörte, und das, bei diesen geliebten Werken, irritierte mich dann doch sehr). Ich werde jedenfalls irgendwann Trifonov live hören, in der Saison 2019/20 kommt er wohl wieder nicht nach Zürich (er war in der Saison 2016/17 da, aber auch mit Orchester und konnte eh nicht, ein Solo-Rezital wäre mir zum Kennenlernen lieber – Levit hörte ich inzwischen zweimal solo, einmal mit Julia Fischer und einmal mit Orchester und ich glaube, gerade so kann man auch die Reihenfolge in Sachen Güte stellen, wobei „Kreutzer“ und Op. 96 mit Fischer schon sehr toll waren und vielleicht zwischen die zwei Solo-Konzerte hinein gehörten).

 

Guten Morgen Flurin,

vorweg kein Grund potentielle Meinungsunterschiede zu entpersonalisieren. Der Diskurs ist ja hier eh das wesentliche belebende Element ….um mit Deinem Eingangsstatement zu beginenn finde ich es wiederum ermüdend wenn immer wieder neue Jungstars – übrigens wer bestimmt den Status, ab wann ist man Altstar und warum gibt es hier nicht den im Sport verwendeten All-Stars (Antwort : Dieser Wertung wird zumeist in einer Abstimmung von Fach- und nicht Marketingleuten vergeben – Letztere setzen einfach lieber auf ein Pferde und kanalisieren die Budgetmittel) – propagiert werden und falls die Verkaufszahlen nicht stimmen ebenso schnell unter die künstlich geschaffene Wahrnehmungsgrenze abtauchen.

Der Vergleich mit den jungen Innovatoren des Jazz endet halt schnell bei der unterschiedlichen Art sich selber individuell einzubringen zu können aka Interpretation/Improvisation, welche bei der klassischen Musik vergleichsweise eingeschränkt ist (Shura Charkassky spielte bei seinen später Konzerten die einen oder andere falsche Note, wobei ein Kenner/Liebhaber sinnigerweise vermeinte, daß der Vortrag dermassen überzeugend war, daß dies unter Interpretation im weiteren Sinn bzw beginnende Improvisation zu subsumieren sei …. aber was würde da die Puristen sagen …..). Bei klassischer Musik ist aufgrund der vorgenannten Einschränkung natürlich die Aufmerksamkeit fast zwangsläufig auf Notentreue, Tempovorgaben und (Klavier) Anschlagskultur gerichtet ….

Ich persönlich habe (leider) nie ein Instrument gespielt dh mein„angelerntes“ technischen Wissen steht deutlich im Hintergrund bei der persönlichen Einschätzung von Hörerlebnissen und es dominiert einfach die Art der gesamtheitlichen Eindrücke ….

Nun zu Trifonov : Habe die Konzertkarte von meiner an diesem Tag absenten Frau geerbt und bin ohne besondere Erwartungshaltung ihm gegenüber (eine solche hatte ich jedenfalls bezüglich Gatti/Concertgebouw) in das Konzert gegangen. Ich gebe auch gerne zu daß ich kein ausgesprochener Liebhaber von Klavierkonzerten bin und Klavier Soloprogramme jederzeit vorziehe …. schlußendlich sind die Klavierkonzerte von Prokofiev tendeziell sehr sperrig dh hier persönliche „Noten“ einfliessen zu lassen ist wohl sehr anspruchsvoll …. bei aller Mentalreservation dem Hr. Ender gegenüber (seine Klassikrezensionen im „Standard“ verdienen zumeist diesen Begriff nicht den auch Provokation sollte zumindest von der Basis her intellektuell unterfüttert sein ….) gibt sein Gschreibsel – mglw unbeabsichtigt – den Trifonovauftritt wieder …. man hat sich schnell an der Technik sattgehört/-gesehen und mangels interpretatorischer Merkmale gleitet die Wahrnehmung Richtung Äusserlichkeiten ab … wie treffend die technisch stupend hingenudelte Zugabe aus Prokofiev`s Sarkasmen – kaum am Klavier schon wieder aufgestanden – hier hätte Trifonov mit einer alternativen Zugabe Interesse an seinen solistischen Fähigkeiten wecken können aber wozu – den DG Exklusivvertrag hat er eh schon in der Tasche …. und der Tourneezirkus zieht weiter ….

Und schlussendlich : Ich schrieb hier unlängst über das per se nicht so eindrucksvolle Igor Levitt Klavierkonzerterlebnisz, welches damals eher durch ein uninspieriertes Orchester behaftet war jedoch vom Pianisten so viel hergab, daß ich einem Solokonzert besuch nicht abgeneigt bin ….

So jetzt muss ich was hackln …. bis später ….

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  "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)