Antwort auf: 2018: Jazzgigs, -konzerte & -festivals

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Sheila Jordan & Big Band der Hochschule Luzern (Ed Partyka) – Zürich, Moods – 15.05.2018

Sheila Jordan, voc
Ed Partyka, lead
Pascal Fernandes, Martin Borner, Martin Gilgen, Nicolas Jäger, t, flh
Maurus Twerenbold, Jasmin Lötscher, Jonas Inglin, tb; Sandro Willauer, btb, tuba
Benjamin Knecht, Mathias Landtwing, Michael Koller, Andri Schärli, Chris Sommer, sax, clars, fl
Kenny Niggli, p
Nico Stettler g
Vito Cadonau, b
Noah Weber, d

War zwar völlig bekloppt, gestern noch ein Konzert reinzudrücken, aber es musste einfach sein! Sheila Jordan war schon zu Beginn dieser Saison im Moods, in der Zwischenzeit feierte sie ihren 89. Geburtstag und gestern war sie zurück, als Gast der Big Band der Hochschule Luzern (Musikhochschule, wohlgemerkt … die stimmten sogar zu Beginn der Sets kurz), die von Ed Partyka geleitet wird. Ihn kennt Jordan vermutlich aus Graz, wo er seit midnestens einem Dutzend Jahren aktiv ist. Gespielt wurden auch diverse Arrangements von George Gruntz, mit dem Jordan früher gearbeitet hat und den sie wohl sehr schätze. Neben Charlier Parker war er die Referenz-Grösse an diesem Abend und Jordan meinte – keine Ahnung, wie sie darauf kam – dass Gruntz besonders „in his own country“ nie ordentlich gewürdigt worden sei. Dass man einem Basler in Zürich keine roten Teppiche ausrollt, mag in der Regel stimmen (das hat auch mit der Idiotie namens Fussball[fans] zu tun), aber gewürdigt wurde er sehr wohl und mir ist sein soweit ich weiss letzter Auftritt im Moods in lebendiger Erinnerung geblieben – leider auch meine einzige Begegnung mit der George Gruntz Concert Jazz Band.

Beide Sets starteten instrumental, in beiden Sets gab es auch mal eine Pause für Jordan. Die Big Band gab zum Auftakt gleich mal den Tarif durch mit einem Swinger, dann folgte die erste Parker-Nummer, ein Mash-Up aus Jordans „The Bird“ und Gruntz‘ Arrangement von „Quasimodo“, dran angehängt wurde glaube ich direkt noch „Embraceable You“ (oder hängten sie das an ein anderes Stückd ran?), im zweiten Set folgte noch Miles Davis‘ „Little Willie Leaps“. Dazwischen gab es pro Set je eine Arie aus einer Jazzoper von Gruntz, von denen die erste etwas schwierig war, weil Jordan im Sound der Band etwas untering, die zweite dann aber toll, sie stammte aus The Holy Grail of Jazz and Joy nach Texten von Alfred Lord Tennyson, Guinnevere bezirzt King Arthur, er solle in ihren Garten kommen … und mittendrin gab es dann auch noch eine sehr persönlich gefärbte Version von „Body and Soul“ (ich weiss nicht, ob das schon bei Gruntz so war).

Sehr persönlich gefärbt ist bei Jordan ja schon lange alles, was sie macht – allein der Klang ihrerb Stimme, die manchmal nur noch ein Krächzen ist, trocken wie ihr Humor. Doch sie weiss genau, was geht und was nicht und wacklige Töne gab es nur ein oder zweimal bei ihrem Einstieg und sofort fing sie sich wieder. Als sie beim zweiten Song auf die Bühne kam, hatte ich jedenfalls minutenlang Tränen in den Augen, denn was sie macht berührt mich ungemein. Im zweiten Set durfte „Dat Dere“ nicht fehlen, ihre Version von Bobby Timmons‘ Klassiker – begleitet nur vom Kontrabass sang sie und sprang waghalsig aber erfolgreich immer wieder in die Kopfstimme … in der Pause fand ich das Konzert noch nicht so toll, aber hätte auch nicht bereut, hingegangen zu sein, wenn es so weiter gegangen wäre.

Doch sowohl die Band wie auch Jordan drehten im zweiten Set nochmal ordentlich auf und dieses zweite Set hatte es wirklich in sich! Die Band spielte eine krachende Version von „Take the ‚A‘-Train“ (ich vermute Gruntz‘ Arrangement) und zum Auftakt des Sets ein Arrangement von Herbie Hancocks „Dolphin Dance“ mit dem Posaunisten Maurus Twerenbold als sehr überzeugendem Solisten – für mich der interessanteste Solist der Band. Ebenfalls zu nennen sind Nicolas Jäger am Flügelhorn, Nico Stettler an der Gitarre und die beiden Damen in Band: die Posaunistin Jasmin Lötscher spielte ein tolles Growl-Solo, ebenfalls sehr gut die Alt- und Sopransaxophonistin, deren Namen nirgendwo steht (ich nehme an, sie ersetzte Mathias Landtwing, 2. Altsax), war mehrmals zu hören, im Dialog mit Jordan in der Guinnevere-Arie, als Solistin im Balladen-Feature über „Over the Rainbow“ und – wie Twerenbold – mit einem guten Solo im Glanz- und Schlusspunkt „Sheila’s Blues“. Ein Highlight war auch ein Arrangement aus der Feder von Ed Partyka über „You Go to My Head“ (glaube ich), bei dem die Rhythmusgruppe Pause hatte und die Bläser ihr ganzes Arsenal auspackten (alle Trompeter hatten Flügelhörner mit, der Bassposaunist auch eine Tuba, vier der Saxophonist_innen eine Klarinette, zwei davon auch eine Bassklarinette und zwei hatten Flöten mit, die erwähnte Altsaxophonistin spielte – neben der Klarinette – auch prominent Sopransaxophon … die Flöten und Klarinetten kamen solistisch allerdings nicht zum Einsatz).

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