Antwort auf: Masabumi Kikuchi

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vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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clasjazNun also meine erste kleine Beute. In erwartender Frühlingssommerstimmung zuerst heute „After Hours“ und dann „Miles Mode“. Bei „Melancholy Gil“ war klar, dass ich Dir den Schuh aus dem Mund nehmen würde – denn das ging in diesem eigenartigen Choral mit einem leicht fegenden Motian sofort herein. Und Johnson legt da einfach ein paar Flügel drüber, ich sage das so, weil er nur zupft und das ist immer wieder beeindruckend; ich schätze ein solches Spiel, bei dem alle zusammen sind, ohne „Battle“, sehr.
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Sehr bewegt hat mich aber auch „After Hours“. Mir ist es nah, wenn man nicht immer aufdreht, sondern bereits die Andeutung für eine Einlösung hält und sie als solche wertschätzt. Oder das, was gesagt werden kann, sich zurückhalten darf, ohne dass das Stillschweigen bedeute. „Bye bye Blackbird“ ist in beiden Versionen, auf „After Hours“ und „Miles Mode“ unglaublich, obwohl sie völlig verschieden sind, die Versenkung und die Aufbäumung.
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Danke Dir noch einmal für diesen An- und vor allem Umstups zu Kikuchi – „Black Orpheus“ werde ich in den nächsten Tagen gewiss sehr anders wiederhören.

vielen dank, lieber @clasjaz, das freut mich alles sehr. nicht wegen des an- oder umstupsens, man mag sich ja nicht selbst auf die schulter klopfen, oder wegen des schuhs, den ich nun nicht mehr verspeisen muss, sondern wegen der möglichkeit des austauschs.

vielleicht lag es daran, dass ich gerade keinen zugang zu den von gypsy vorgestellten sachen von cecil taylor hatte, dass es mich ein bisschen als ersatzhandlung wieder zu kikuchi trieb, vielleicht als allgemeine verbeugung vor den „unbeirrten“, den von mir gerne romantisch verklärten einzelgängern, die immer wieder ihre stimme einbringen, ob man sie nun hören möchte oder nicht. wir haben hier ja auch z.t. parallel das frühe werk von kikuchi (wieder-)entdeckt, die schönen warmen elektrischen texturen dieser japanischen miles-fan-fabrik, das erste freischwimmen mit peacock und togashi, den falschen samba mit watanabe – alles eine schöne neue welt. aber um ca. 1990 passiert etwas bei kikuchi (und vielleicht ganz am ende nochmal), das in mir wirklich tiefe bewegungen auslöst. u.a. dass ich das akustische klavier als jazzinstrument plötzlich wieder zu lieben begonnen habe, dieses große potenzial, was da einer für sich wieder mal ganz neu nutzt. dieser wechsel von zurückhaltung, andeutung, wertschätzung von pause und stille (was du alles viel besser beschreibst), um dann doch wieder störrisch, herausfordernd, krawallig zu attackieren, zu beharren, die anderen mutwillig vor den kopf zu stoßen, den raum an sich zu reißen.

ich liebe ja solche anekdoten, obwohl sie meist nur quatsch und oft falsch wiedergegeben sind, aber wenn es wirklich stimmt, dass jarrett, dieser asoziale, verletzliche, großkotzige, dauerheiliggesprochene kleine scheißer, der marian mcpartland auflaufen lässt wie ein kleines schulmädchen, weil er es nicht gelernt hat, angebote anzunehmen, nach einem kikuchi-peacock-motian-konzert zum pianisten sagt: „you can really play“, was er sonst nie macht, wie peacock weiß, dann lese ich in dieser überraschenden anerkennung von co-existenz unter monaden schon etwas wichtiges heraus.

mir fehlt immer noch die vertiefte auseinandersetzung von kikuchis spiel in diesen merkwürdigen späten motian-bands, auch noch mal ein konzentriertes durchhören der tethered-moon-aufnahmen, aber die scheu davor ist ja auch kein wunder, wenn einem ein kleiner youtube-clip, den man versehentlich im nachdenken über cecil taylor anklickt, so derartig die schuhe ausziehen kann wie mir gerade. und wie schön, wenn dann einer ein stück weit mitgeht in der begeisterung und lust auf neues.

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