Antwort auf: 2018: Jazzgigs, -konzerte & -festivals

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vorgarten

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7.4.2018 | akademie der künste, berlin | brötzmann plus (zweiter abend)

peter brötzmann plus…

andrew cyrille (1. set)
full blast (pliakas / wertmüller), keiji haino, heather leigh (2. set)
alexander von schlippenbach, han bennink, andrew cyrille (3. set)

rahmenprogramm zur nach berlin gewanderten fmp-ausstellung. ich war leider nur an diesem abend da, die gleichen leute (?) spielten am freitag bereits in anderen formationen ( @napoleon-dynamite war da, oder?).

sehr abwechslungsreich, das ganze, auch als körperliche erfahrung. das duo mit cyrille zunächst ein bisschen vorsichtig, brötzmann verfolgt motive, cyrille hinterher, drei schlagzeug-grundideen zu den drei brötzmann-instrumenten-parts, nichts eigenes setzend, autarkes dazu-spiel, bisschen unflexibel. wenn brötzmann aussetzt (und das instrument wechselt), spielt cyrille plötzlich sehr bewusst solo, und sofort wird’s interessant. aber auch zusammen passieren interessante verzahnungen, wie zufällig.

das noise-brett in der mitte dann der erwartete frontalangriff. fängt damit an, dass haino quasi über seine gitarre stolpert. dann wischt er mit din-a-4-papierseiten über saiten. full blast setzt ein, die wohlfrisierte heather leigh singt „huh huh“, haino nimmt platz und explodiert alle 2 minuten kurz, double-bass-terror, verzerrte flächen von leigh, die zu ihrem gesang passen, brötzmann schraubt und schraubt. schnappatmung neben mir, zwei senioren (also im brötzmann-alter). auch bei mir allmählich herzrhythmusfehler. mein shirt flattert an den eigentlich gut gepolsterten rippen. dabei bleibt alles äußerst fein, detailreich. haino steht auf, schreit ins mikro, macht turnübungen, fällt hin. wertmüllerpliakas mit ihrem wunderbaren stop&go-metal. einige zuhörer bringen sich an den zuschauerrand in sicherheit. brötzmann schont sich nicht. heather leigh öffnet die augen nicht mehr. haino krabbelt zu seinen verkabelungen, schießt noch ein paar kurzschlüsse zu cecil taylor in den himmel. das betäubte publikum explodiert. die senioren neben mir gehen nach hause. drei hipster im gang sagen: „narcissistic shit.“ wunderbare stimmung.

in teil drei dann schlippenbachs monkismen, dazwischen viel unsinn, vor wohlwollenden geburtstagstagsgästen (80 geworden heute). brötzmann ist platt, versucht noch was, cyrille wieder irgendwas aus dem handgelenk dazu. bennink versucht angestrengt nicht zu swingen, also hängen die monkismen platt im raum, verzahnen sich nicht, gehen ins leere. nur, wenn die drummer den spot haben, passiert was schönes. doch bennink muss natürlich mätzchen machen. stirnband auf, ab, auf. zweimal nach vorne, hüftsteife grätsche, mit den stöcken auf den boden. brötzmann irgendwann in einer quasi-pause nach 30 minuten: ist ja gut, kinners. schlippenbach hat aber noch ne monkfigur. brötzmann noch kurz wieder dabei, dann rauscht er ab, laut nörgelnd und ward nicht mehr gesehen. cyrille ganz rechts völlig allein, ratlos. dann hören sie auf, die drummer umarmen sich, gehen brötzmann suchen. schlippenbach dann noch mit einer unnötigen kleinen vorlesung über das, was wir da angeblich gehört haben: antidepressivum! er freut sich, dass er es von der akademie nicht weit nach hause hat und zu fuß laufen kann. was er spielte, wirkte leider auch ein bisschen dahergeschlurft. schwerhörigkeit auf allen seiten. toller abend.

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