Antwort auf: Klassik-Glossen

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gypsy-tail-wind
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Glenn Gould über Eileen Joyce

Ich stelle das mal hier rein … @clasjaz, leider sind es nur ein paar wenige Sätze, die Gould im Gespräch mit Bruno Monsaingeon über Joyce und Mozart sagt:

G. G.: Also, „inspiriert ist kein Wort, mit dem ich in bezug auf Mozart etwas anfangen kann, Bruno, aber wenn Sie statt dessen „beeindruckt“ einsetzen, kann ich mich gleich an Casadesus erinnern und an einige der schönen Achtunsiebzigerplatten mit Konzertaufnahmen, die er gemacht hat – war das nicht mit dem Orchester des Pariser Konservatoriums?
B. M.: Ich glaube schon, ja.
G. G.: Außerdem – und das mag Sie überraschen – Eileen Joyce.
B. M.: Ich kenne ihr Spiel überhaupt nicht.
G. G.: Nun, sie spielte Mozart mit wirklicher Hingabe. Sogar ich konnte das anerkenne, obwohl ich nicht rausbekommen konnte, woher das kam. Es ist übrigens komisch, denn ich habe ihre ganz alten Aufnahmen – späte dreißiger oder frühe vierziger Jahre – von KV 576 vor ein paar Wochen im Radio gehört, zum erstenmal seit vielleicht zwanzig Jahren, und ich mußte wieder denken, was für eine außerordentliche Pianistin sie doch war.

Nach der zitierten Passage schwenkt Monsaingeon dann direkt um: „Und was ist mit Pianisten von heute?“ – Gould lobt dann Brendel („spielt die Konzerte ebenso gut wie irgendwer, den ich je gehört habe. Ich kann mir keine bessere Mischung von Begeisterung und Zuneigung vorstellen als das.“), und dann folgen direkt „Und Dirigenten?“ (da kommt Gould „auf Anhieb […] keiner in den Sinn“, aber er erinnert sich dann an eine Plauderei mit Josef Krips, mit dem er alle Beethoven-Konzerte gespielt hätte – Krips hätte dann die Mozart-Konzerte spielen wollen „und mir gingen allmählich die Entschuldigungen aus – schließlich, man erzählt einem Wiener ja nicht, daß Mozart mittelmäßig ist“).

Die Einspielung von KV 576 ist übrigens von 1941 und natürlich in der Box mit den kompletten Studio-Aufnahmen von Joyce zu finden, deren Erwähnung der Anlass für diesen Post war. Im gleichen Jahr nahm Joyce – ebenfalls für Columbia – KV 332, eine Mozart zugeschriebene Romanze (KV. Anh. 205), eine Gigue und ein Menuett (KV 574 bzw. 355); für Parlophone hatte sie zuvor 1936 schon das Rondo KV 386 in der Orchesterfassung von Clarence Raybould eingespielt und 1939 die Allemande und die Courante aus der Suite KV 399 sowie 1940 die Sonate KV 545. 1947 folgte schliesslich für Decca noch die Sonate KV 309 – es sind also immerhin vier vollständige Sonaten von ihr überliefert.

Die Zitate (auch die nach dem Block) stamme aus: „Von Mozart und verwandten Dingen: Glenn Gould im Gespräch mit Bruno Monsaingeon“ [1976], aus: Glenn Gould. Von Bach bis Boulez/Vom Konzertsaal zum Tonstudio: Schriften zur Musik 1 und 2, herausgegeben und mit einer Einleitung von Tim Page, Zweitausendeins, o.O., o.J., S. 58-73, hier S. 59f.

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