Antwort auf: Die letzte Dokumentation, die ich gesehen habe

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ford-prefect
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Anne Clark – I’ll walk out into tomorrow, Hafen2, Offenbach/Main, 14.2.2018
Regie: Claus Withopf – 84 Min.

In diesem Dokumentarfilm, der viel mit Licht, Schatten und optischer Brechung arbeitet, kehrt Anne Clark, die britische New-Wave-Pionierin, an die Orte ihrer Kindheit und Jugend zurück. Die triste Plattenbausiedlung in der verhassten urbanen Einöde namens Croydon, ein gerne übersehener Stadtbezirk Londons, die örtliche Kirche – und das mittlerweile verfallene Gelände des Cane Hill Hospitals, eine ehemalige Psychiatrie, wo Anne Clark einst als Pflegerin arbeitete und dort sehenden Auges körperlichen Missbrauch an weggesperrten Patienten miterlebte. Selbst stamme Clark, wie die 57-Jährige offen erzählt, aus einer kunst- und bildungsfernen Arbeiterfamilie, innerhalb der es nicht selten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen sei. Bis die Polizei auf der Matte stand.

Neben der Aufarbeitung ihres Lebensweges dominiert natürlich die Entstehung von Anne Clarks elektronischer Musik die filmische Handlung. Deshalb sieht man die britische Avantgarde-Sängerin mit Band bei Proben in einem Landhaus im Allgäu, im Tonstudio, beim Schreiben von Songtexten in Notizbüchern und während semi-akustischen Kirchenkonzerten. Anne Clark erinnert sich daran, wie sie als junge Frau, als gerade ihr Song „Sleeper in Metropolis“ im Jahre 1984 erschienen war, von einem windigen Manager übers Ohr gehauen wurde, der sich mit der Kasse aus dem Staub machte, woraufhin die Künstlerin auf den Kosten für Keyboards und Tourbus sitzen blieb. In Ostdeutschland stürmte mal ein Haufen Rechtradikaler eines ihrer Konzerte und mischte das Publikum brutal auf. Anne Clark verspürt dennoch eine tief Verbindung zur deutschen Kultur und Literatur wie Rilke.

Im alternativen Kulturzentrum „Hafen2“ diskutierte Filmemacher Claus Withopf, der aus dem benachbarten Frankfurt kommt, zusammen mit Kamerafrau Nina Werth und einem Moderator sein Erstlingswerk. „Mir waren die Texte wichtig“, betonte Regisseur Claus Withopf, der Mitte der 1980er über die Pop-TV-Sendung „Formel 1“ die englische Synthie-Artistin entdeckt habe. Zwischen den Szenen laufen im Film immer wieder Songzeilen Anne Clarks durchs Bild. Über zehn Jahre hat Withopf die Musikerin mit seiner Linse begleitet. Den Dokumentarfilm „I’ll walk out into tomorrow“ runden psychedelische Naturaufnahmen des Frankfurter Experimentalfilmers Gunter Deller ab, der zudem künstlerischer Leiter des örtlichen Nischenkinos „Mal seh’n“ ist. Regisseur Claus Withopf arbeitet schon eifrig an seiner nächsten Doku: Diesmal soll es ein Portrait über Laurie Anderson werden. Das jedoch nicht wieder zehn Jahre bis zur VÖ auf sich warten lassen soll.

Das Café hinten im Kulturzentrum Hafen2

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