Antwort auf: Literarische Begegnungen (Lesungen)

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ford-prefect
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Sahra Wagenknecht – Kammgarn, Kaiserslautern, 1.2.2018

Sicher stellt sich jeder Schriftsteller, der eine Lesung gestaltet, vorab diese Frage: Was lese ich dem Publikum vor? Welche Seiten und Kapitel aus einem Buch, damit die Zuhörer möglichst leicht in den Inhalt finden? „Ich lese immer das Vorwort vor. Das gibt einen schönen Überblick. Über die zentralen Thesen“, schilderte Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht im annähernd ausverkauften Saal des pfälzischen Kulturzentrums Kammgarn. Dort war die vielseitige 48-Jährige erschienen, um ihr kapitalismuskritisches Sachbuch Reichtum ohne Gier vorzustellen, das vor zwei Jahren im Campus-Verlag erschienen war.

Dabei erwies sich die Wagenknecht, die Einstein, Theodore Roosevelt, Hamlet und Madame Pompadour zitierte und ihre Texte mit metaphernreichen Sätzen würzt, wieder als kluge und scharfsinnige Analytikerin, mit der ausgewachsenen Gabe, komplizierte Zusammenhänge, ob politische oder wirtschaftliche, verständlich auseinanderzunehmen. Unter anderem ging die in der ehemaligen DDR sozialisierte Publizistin, die früher der PDS angehört hat, auf die Bürgerkriege in Afrika ein, den globalen Ressourcen-Kampf zwischen den USA und Russland, die weltweite Flüchtlingsbewegung, die verwahrlosenden Wohnghettos in den Industrienationen und die ungleiche Vermögensverteilung in allen Gesellschaften. „Die Flut, die einst alle anheben sollte, trägt nur noch die Luxusyachten“, kritisierte die erfahrene Volkswirtin.

Anschließend führte die Linkspolitikerin auf der Bühne ein Podiumsgespräch mit Moderator Dr. Fabian Lovisa, der Wagenknechts Menschenbild besser kennenlernen wollte: Ist der Mensch, hakte der Fragensteller nach, nicht „ein krummes Holz, das sich nicht geradebiegen lässt?“ Nach Ansicht von Wagenknecht vereine der Mensch mehrere Verhaltenseigenschaften in sich. „Das Finstere und das Barbarische“, drückte sich Sahra Wagenknecht aus. „Menschen können sich aber auch für andere Menschen einsetzen.“ Eine sozial orientierte Gesellschaft, die Sicherheiten biete, bringe automatisch positive Charakterseiten in Bürgern zum Vorschein. Später versetzte die in Jena geborene Promipolitikerin der Deutschen Bank einen Seitenhieb. „Die Deutsche Bank hat eine Gerichtsakte wie ein Mafia-Clan“, urteilte Wagenknecht im Hinblick auf Betrugsmaschen und Steueraffären riesiger Kreditinstitute. „Es gibt aber auch Milliardäre, die selbst nach einer Reichensteuer verlangen“, weiß die rote Wagenknecht. Am Ende äußerte die 48-Jährige ihren Wunsch nach mehr demokratischen Möglichkeiten zur politischen Mitgestaltung für die Bürger, also Volksabstimmungen zu Grundsatzfragen.

Sahra Wagenknecht während der Lesung aus ihrem Sachbuch „Reichtum ohne Gier“ in Kaiserslautern

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