Antwort auf: Das Baritonsaxophon im Jazz

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gypsy-tail-wind
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Serge Chaloff – Buvette Club, Rock Island, February 1953 (Uptown)

redbeansandrice
Serge Chaloff (bs)
Jerry Murphy (p)
Al Dimino (b)
Don Sheldon (ds)

Die CD ist seit heute Morgan hier … die Aufnahme wurde von Dimino auf seinem portablen Tonbandgerät gemacht. Chaloff, so wird im ersten Teil der Liner Notes – ein Abriss von Serge Chaloffs Karriere im Schnelldurchlauf – berichtet, tourte 1952/53 die meiste Zeit durchs Land, weil die Polizei in Boston in Sachen Drogenhandel immer härter durchgriff und es für ihn ungemütlich wurde. Zunächst war wohl Dick Twardzik an Bord (einer der Schüler von Madame Chaloff, Serges Mutter, bei der auch Leonard Bernstein, Herbie Hancock, George Shearing oder Chick Corea lernten), mit dem Quartett auf dem vorliegenden Album tourte er quer durchs Land, bis er 1954 wieder in Boston war und dort auch neue Aufnahmen machte. Aus den beiden Jahren davor gibt es nichts, auch deshalb ist diese neue CD eine sehr begrüssenswerte Ergänzung des eh schon kleinen Chaloff-Kataloges (er war dann übriges ab Februar 1955 clean und starb im Juli 1957 an Krebs, nicht etwa an einer Überdosis).

Der interessantere Teil des Booklets – das mit vielen Photos gepimpt wurde, die Tendenz der Uptown-Booklets ist ja eh längst sinkend, die minutiös recherchierten Texte sucht man schon länger vergebens, dünkt mich, eher wird etwas geschwatzt und dann werden viele Bilder reingepackt, was allerdings schon auch toll ist! – ist dann der dritte. Doch ich greife vor: als zweiten Teil gibt es eine knappe Seite über die Entstehung der Aufnahme, die aber mehr zum Tour-Schedule der Band sagt: im Juni 1953 war sie wieder im Buvette Club, die anderen Clubs in Rock Island hiessen Hollywood Supper Club (dort spielten auch mal Les Paul und Mary Ford), The Horseshoe (Ella), das Paddock und Caldonia. Das Chaloff-Quartett trat als „The Woody Herman All-Stars“ oder „Serge Chaloff’s Woody Herman All Stars“ auf und spielte u.a. im Preview in Chicago, im Tiffany Club in L.A., im Jack’s Club in Idaho Falls, ID, im Club Deluxe in Eureka, CA, in Beck’s Restaurant in Hagerstown, MD, im Blue Note in Philadelphia, in der Casa Blanca in Rome, NY, im Times Square Supper Club in Rochester, NH und im Vic’s in Minneapolis, MN.

Interessant ist – und da sind wir wieder bei Teil 3 der Liner Notes, dem Abschnitt über die drei Sidemen – die Nennung von Rochester, NH, denn von da stammte Bassist Al „Tootie“ Dimino (1930-1969), der die Aufnahme machte. Er spielte zunächst Klavier, wechselte dann zum Bass und begleitete bald zusammen mit Don Sheldon („lived to play the drums“, sagen die Liner Notes) diverse Jazzmusiker, bevor sie 1953 zusammen mit Chaloff auf Tour gingen. Dimino war damals erst 22, Don Sheldon (ebenfalls in Rochester geboren) war zwei Jahre älter (1928-1981). Dimino spielte in den Fünfzigern und Sechzigern in und um Rochester u.a. mit den Mangione Brüdern, Sam Noto und Joe Romano, aber auch mit den mir unbekannten Mike Arena und Jack Stevens. Sheldon spielte von den Vierzigern bis in die Siebziger mit Bands wie dem Glenn Miller Orchestra, dem Harry James Orchestra oder dem Tony Pastor Orchestra, aber auch mit Chuck Mangione und ein paar weiteren mir unbekannten Leuten (Joe Miltsch, Jack Maheu, Jan Cursio, Cappy Anderson, Chick Edmond und Ray Dunlap sind die weiteren Namen im Booklet). Der Pianist Jerry Murphy (1926-2003) stammte aus Bennington, VT, mochte Tatum und Peterson und das hört man durchaus auch, im Guten (grosses technisches Können, tolle Soli – in den besten Momenten geht das auch mal ein wenig in die Richtung des durchgeknallten weissen Bebop-Pianos der späten Vierziger) wie im weniger Guten (manchmal in der Begleitung etwas dicht, da und dort etwas blumig – aber letzteres mochte Chaloff wohl ganz gerne) – er liess sich Mitte der 50er in Sacramento, CA nieder und war bei seinem Tod dort längst eine Legende.

Im letzten Teil der Liner Notes – geschrieben hat sie übrigens, das muss man bei den Credits auf der Rückseite suchen, Steve Cooper, noch nie von ihm gehört – geht es dann noch um die Musik, die es zu hören gibt … ein typisches Road-Band-Programm würde ich mal sagen: Balladen („Body and Soul“ ist leider unvollständig aber auch so sind die sieben Minuten grosses Kino, klasse ist auch bereits die Chaloff’sche Themenpräsentation im öffnenden „Willow Weep for Me“), Bopper („Move“, „Wildwood“ von Gigi Gryce), Novelty („Ninety-Nine Guys“ inklusive Band-Vocal über einen Two-Beat-Groove) … für jede_n etwas dabei. Doch ich höre das gerade zum ersten Mal und mag die Musik daher nicht ausführlich kommentieren.

Ganz am Ende finden sich auch noch „Acknowledgements“, darunter ein paar Namen von Leuten, die Biographisches zu den drei Sidemen lieferten, dazu werden ein paar weitere Quellen erwähnt. Seriös ist das alles sicherlich, auch wenn es nicht den Detailreichtum der Mingus- oder Eager-Booklets erreicht.

 

Fazit:

Sound: passabel, manchmal etwas dumpf, die guten Bass-Soli (siehe: Band) hört man nicht soo dolle
Band: sehr, sehr gut (zum Glück!) und deutlich mehr als bloss begleitende Statisten
Repertoire: ein etwas gar bunter Strauss, macht aber bei der Qualität nichts
Chaloff: grossartig – er bleibt wohl schlicht der grösste Baritonsaxophonist des Jazz – was leider viel zu viele viel zu häufig vergessen oder noch gar nicht wissen :whistle:

Es kommt ja auf Resonance demnächst endlich das Material von Wes Montgomery aus Paris in einer offiziellen Version … aber das hier ist schon mal ein heisser Anwärter auf Archiv-Release des Jahres (v.a. auch, weil das wirklich neues Material ist).

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