Antwort auf: Literarische Begegnungen (Lesungen)

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ford-prefect
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Georg Stefan Troller – Deutsch-Amerikanisches Institut, Heidelberg, 21.1.2018

Wie viel Erfahrung, Erlebnis und Erkenntnis passen in ein einziges Leben? Während seines lebensprallen Werdegangs konnte TV-Journalist und Dokumentarfilmer Georg Stefan Troller, selbst Jahrgang 1921 und somit einer der letzten Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges, fast 1500 Interviews führen. Darunter Gespräche mit Menschen wie Comic-Zeichner Robert Crumb, Boxsportler Muhammad Ali, Sex-Filmer Russ Meyer und Underground-Poet Charles Bukowski. Im Deutsch-Amerikanischen Institut in Heidelberg las Schriftsteller Georg Stefan Troller aus seinen drei Büchern „Mit meiner Schreibmaschine„, „Unterwegs auf vielen Straßen“ und aus dem reich mit Fotografien bebilderten „Ein Traum von Paris“ vor. Nicht zum ersten Mal war Troller im DAI zu Gast.

Einen „Menschenforscher“ nannte ihn mal die Wochenzeitung Die Zeit. Vor allem ältere Generationen kennen ihn noch als Fernsehreporter der ARD-Sendung Pariser Journal. Oder von der TV-Sendung Personenbeschreibung her. Wenn sich Georg Stefan Troller daheim in die Rolle des Autors begibt, dann tippt der 96-Jährige, der erstaunlich klar und vital wirkt, auf seiner Schreibmaschine. In Gesellschaft seines Katers, wie Troller erzählte. In dem vorgetragenen Kapitel „Sprache in der Emigration“ verglich der gebürtige Wiener einen Heimatverlust mit Identitätsverlust. Kulturschaffende wie Thomas Mann gingen einst ins amerikanische Exil auf der Flucht vor dem Dritten Reich. „Durfte man weiterschreiben und dichten in der Sprache seiner Vertreiber, seiner Mörder? Genau mein Problem“, überlegte Gastredner Troller. „Die Sprache, an der man sich allzu oft mehr bedient als ihr zu dienen, beginnt sich an ihrem Dompteur zu rächen.“ Sprache sei „mehr als ein System von Zeichen“ zur Kommunikation: Nämlich geprägt von Sinnlichkeit, Musikalität und Subtext. Darüber hinaus erzählte Georg Stefan Troller, ein ehemaliger US-Soldat im Bereich „Gefangenen-Vernehmungen“ mit jüdischen Wurzeln, davon, wie der Filmemacher zur Zeit der deutschen Besatzung das nächtliche Paris erkundet habe. Mit schlechtem Schuhwerk. „Auf diese Weise lernte ich ein Paris kennen, das längst verblichen ist und lediglich noch in Andeutungen existiert“, kommentierte der 96-Jährige. Immer auf der Hut vor der damaligen Sperrstunde. „Wer nicht um Schlag zehn in seinen vier Wänden saß, konnte von der Streife gefasst werden“, schilderte Troller. Oder der Gestapo in ihren braunen Ledermänteln in die Hände fallen.

Mit einer Stunde war die Lesung etwas kurz. Andererseits muss man auch Rücksicht auf das Alter des Gastredners nehmen.

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