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Am Montag will ich zum Konzert der Gruppe FLY gehen – Mark Turner (ts), Larry Grenadier (b), Jeff Ballard (d) – auch, um Mark Turner endlich doch mal noch im Konzert zu hören. Ich kenne nicht gerade viele seiner Aufnahmen, aus seiner Young Lions-Zeit inkl. Plattenvertrag beim Major Warner Brothers blieb hier gerade mal „Ballad Session“ hängen, aber auch das nur ein Zufallskauf. Lee Konitz‘ tolles Chesky-Album „Parrallels“ (rec. 2000) ist eine andere etwas frühere Aufnahme Turners, die allerdings gezielt angeschafft wurde (wohl nach der Lektüre der Rezension von Peter Rüedi? Hab nicht im Buch nachgeschlagen, ob das Album da wirklich vorkommt) – das ist dann auch das Album, das den Warne Marsh-Nachfolger, der in Turner damals steckte, ins passende Umfeld stellt.
Jüngst fiel mir Turner dann an der Seite von Tom Harrell wieder auf („Trip“, HighNote, 2014 – ein Quartett mit Ugonna Okegwo und Adam Cruz) sowie auf dem Album „Kalthoum“ (2015) des Trompeters Ibrahim Maalouf auf, einer grossangelegte Hommage an die unsterbliche Oum Kalthoum. In der Suite glänzt auch Turner mit ein paar tollen Beiträgen, die mir dann auch wieder ins Gedächtnis riefen (ich hörte das Album erst im letzten Jahr irgendwann), dass sich vor ein paar Jahren, als es mal ein paar ECM-Gelegenheiten gab, nicht nur die zwei CDs von Fly angesammelt haben, sondern noch drei weitere mit Mark Turner. Und so ist die Klammer dieses Posts Mark Turner on ECM, wenn man so will. Alle Alben erschienen jeweils im Jahr nach dem Aufnahmejahr – bei ECM ist das erwähnenswert, obwohl ich keine Ahnung habe, warum Eicher sich bei manchen Alben mehrere Jahre Zeit lässt.
Enrico Rava – t
Mark Turner – ts
Stefano Bollani – p
Larry Grenadier – b
Paul Motian – d
Neo-Noir steht in der Allmusic-Rezension zum Album New York Days von ENRICO RAVA, das im Februar 2008 im Avatar Studio in New York aufgenommen wurde. Enrico Rava ist dort nicht Volksheld, anerkannter elder statesmen, Ikone, schlicht „Rava“ genannt, wie in seiner Heimat (ich konnte das letzten Sommer im Konzert in Novara erleben). Mit Paul Motian hat Rava im Verlauf der Jahrzehnte sicherlich einige Male gespielt, am Bass ist Larry Grenadier zu hören (damals bereits ein Kollege von Turner in der Combo FLY, s.u.). Rava kam aber nicht alleine aus Italien, am Klavier sass sein damaliger Begleiter Stefano Bollani. Dieser hält sich auffällig zurück oder: muss spielen, kann sich nicht auf seine musikalischen Mätzchen beschränken, was er ja leider viel zu oft tut – anscheinend auch im Konzert, aber die ganzen Themen-Alben sind ja schon ein bunter Kaugummi-Park, der musikalisch nicht immer viel her gibt. Im ersten Stück, dem langen „Lulù“, glänzt Rava mit seinem Ton als Existentialist der Trompete, man denkt an seinen Kollegen Tomasz Stanko und natürlich auch an Miles Davis. Ein sehr stimmungsvoller Auftakt in das lange Album. Die Rhythmusgruppe gibt den Tarif durch, die New Yorker-Härte ist da, aber mit Motian ist sie natürlich nie leere Pose sondern eher Herausforderung: Hier geht es zur Sache, die anderen im Studio ziehen sich besser warm an (Motian selbst trägt auf den Photos öfter mal seine Wollmütze) und passen auf, dass sie sich nicht in einem schwachen Moment einfangen lassen. Turner spielt reduzierte Soli mit leicht verhangenem Ton – der Marsh-Einfluss ist immer noch da, aber wie allgemein nach seinem Unfall (er trennte sich mit einer Motorsäge die Nerven zweier Finger durch) dünkt mich sein Approach etwas zupackender, härter, schnörkelloser. Die Stimmung auf dem Album ist jedenfalls toll, etwas düster, und irgendwie bei allem Understatement doch ziemlich herausfordernd – gefällt mir jedenfalls enorm gut. Nach dem Opener gibt es die erste von zwei freien Improvisationen, spätere Highlights auf dem überaus langen Album (77 Minuten) sind sicherlich „Certi Angoli Secreti“ (mit fast 11 Minuten noch länger als der Opener – und voller toller Gruppen-Interaktion), aber auch das unmittelbar darauf folgende, fast so lange „Interiors“, das sich tatsächlich fast wie ein Bericht aus dem Inneren der Musiker anfühlt, so „moody“ ist das. Neo Noir und verschattete Innenansichten heissen aber nicht, dass nicht auch ordentlich Spielfreude zum Zug kommt, so etwa im auf die beiden längsten Tracks folgenden „Thank You, Come Again“, in dem Bollani mit perlenden Läufen loslegt. Paul Motian ist natürlich immer für eine Überraschung, streut seine typischen Beckenklänge und -patterns ein und da und dort einen altmodischen Press-Roll.
Mark Turner – ts, ss
Larry Grenadier – b
Jeff Ballard – d
Brad Mehldau soll ein wenig neidisch auf das Trio FLY gewesen sein, weil er bei ihnen etwas Eigenes hörte, etwas Neues – und wenig später sass Jeff Ballard dann auch bei im am Schlagzeug. Mark Turner spielt hier auch Sopransax, die Aufnahmen für das erste ECM-Album Sky & Country (es gab davor schon eines bei Savoy, ich kenne es nicht) entstanden im Februar und Juni 2008 ebenfalls im Avatar Studio in New York. Das Trio mischt Grooves mit verspieltem, am Sopransax klingt das manchmal ein wenig nach Steve Lacy – eigenwillige und doch recht eingängige Linie, mit völlig klarem und recht schlankem aber doch sattem Ton geblasen. Jeff Ballard liebt fette Backbeat, Shuffles und kurze, satte Rolls – das kommt zusammen mit dem tiefen Bass von Larry Grenadier oft ordentlich funky rüber, während Turner sich darauf allerdings nie einlässt und seine nachdenklichen Linien spinnt, die oft von einer grossen Logik sind – und vielleicht auch nur Begleitung für ein Schlagzeugsolo wie zu Beginn und am Ende von „Elena Berenjena“, dem dritten Stück des wieder relativ langen Albums (mit 67 Minuten), das Stück ist aber nicht etwa aus Ballards Feder sondern gehört zu den vier Kompositionen, die Turner beigetragen hat. Ballard ist mit drei und Grenadier mit zwei Stücken vertreten. Da ist also alles original, und es ist durchaus originell und irgendwie auch ziemlich zeitgemäss. Die Basis dafür ist gutes Material, das dem Trio Vorgaben gibt aber auch Freiräume lässt. In dieser Hinsicht setzt man wohl auch – und das ziemlich erfolgreich, dünkt mich – beim „second quintet“ von Miles Davis an. Jedenfalls finde ich das heute ziemlich toll – als ich die Gruppe zum ersten Mal hörte (das war ein Mitschnitt auf Dimeadozen, aus der Zeit bevor dieses Album entstand), verstand ich sie nicht bzw. sagte mir diese Musik nicht viel. Turners Ton ist immer noch zurückhaltend und fein, die Oberfläche wie etwas abgegriffener Samt, am Bass sorgt Grenadier für Abwechslung, vor allem aber liefert er ein tolles Fundament, bleibt dabei aber stets reaktionsschnell und fällt nie in vorhersehbare Muster. An Ballard hängt hier vieles, dünkt mich, er ist für den Punch zuständig, auf den Grenadier und Turner gerne einsteigen, den sie selber aber nur selten liefern, seine unregelmässigen und stets sich verändernden Beats halten auch die Grooves abwechslungsreich, in die er manchmal über längere Zeit – oder mit Unterbrüchen immer wieder – fällt.
Mark Turner – ts, ss
Larry Grenadier – b
Jeff Ballard – d
Das zweite ECM-Album des Trios FLY wurde im Januar 2011 erneut im Avatar Studio in New York aufgenommen (diesmal aber mit Aya Merrill an den Reglern, bei allen vier weiteren Alben in diesem Post war James A. Farber zuständig). Year of the Snake besteht aus zwölf eher kürzeren Stücken, Turner hat drei von ihnen sowie den langen Titeltrack komponiert, Ballard zwei, Grenadier eines (das längste Stück des Albums, „Kingston“). Ein weiteres Stück haben Turner/Ballard gemeinsam geschrieben („The Western Lands II“, das sich auf Turners Opener „The Western Lands I“ bezieht), die verbleibenden vier wurden vom Trio gemeinsam erarbeitet (darunter Folgen III bis V von „The Western Lands“ – die fünf Stücke dauern zwischen 35 Sekunden und drei Minuten).
Los geht es mit der ersten kurzen Version von „The Western Lands“ (Turner) – ein viertöniges Motiv des Sopransaxophones, das sich nach oben schraubt, ein paar Beckenschläge, dann ein gestrichener Bass dazu … impressionistisch und doch irgendwie sehr amerikanisch (im gleichen Jahr, 2012, erschien bei ECM ein weiteres feines – europäisches – Trio-Album in derselben Besetzung: Andy Sheppard-ts/ss, Michel Benita-b, Sebastian Rochford-d – das merke ich mir für die nächsten Tage mal vor). Im ersten längeren Stück, seinem „Festival Tune“, greift Turner dann wieder zum Tenor. Sein Ton klingt etwas klarer, weniger neblig als zuvor, was ihn fast noch schöner macht und ihm keinesfalls den Zauber nimmt. Mag die Rollenverteilung zunächst konventioneller scheinen – Solist mit Begleitung – ist schon bald alles wieder im Fluss, Grenadier übernimmt, Ballard greift ein oder eben gerade nicht – auch das eine Freiheit, die das Geschehen sofort öffnet und unvorhersehbar macht. Auf den Photos im Booklet trägt hier übrigens Turner Schal und Mütze – gefüttert mit Fell und mit Ohrenklappen. Ansonsten sieht man die Musiker beim Hören, Warten, Diskutieren, beim Brüten ebenso wie beim Spielen. Nach dem zweiten „Western Lands“, in „Brothersister“, löst sich das feste Metrum auf, Grenadier beschleunigt, Ballard punktiert impressionistisch, während Turner stoisch eine einfache Linie bläst. Ich glaube, das tolle an FLY ist, dass es dem Trio immer wieder gelingt, Erwartungen zu unterlaufen – und es dabei doch tief im Jazz verwurzelt bleibt. Immer wieder fächert das Trio die Musik auf, verschiedene Stränge, Rhythmen, Linien schienen nebeneinander her zu laufen, sich zu verzahnen, zu verwirren und zu verdichten – und mit einem einzigen Schlag auf eine Trommel löst sich alles wieder auf, nur um ein neues Knäuel zu bilden, das zwar locker vor sich hin groovt, aber doch die volle Aufmerksamkeit einfordert. Das Faszinierende daran ist – und da bin ich wieder bei Miles Davis‘ „second quintet“ – das das nie beliebig wirkt sondern im Gegenteil äusserst stringent … und zugleich gerade so spontan. Die drei haben auch ein feines Gespür für Dramaturgie – besonders für das richtige Mass: da kann Ballard auch mal einen geradezu enttäuschend simplen Beat klöppeln, weil es zuviel wäre, würde er zu den gemeinsamen Ausflügen von Saxophon und Bass auch noch mächtig zulangen. Und wenn er das irgendwann dann doch tut, weiss er eben auch wieder, wie.
Billy Hart
Mark Turner – ts
Ethan Iverson – p
Ben Street – b
Billy Hart – d
Das zweite ECM-Album des Quartetts von BILLY HART trägt den Titel One Is the Other und wurde im April und Mai 2013 in den Avatar Studios eingespielt (das erste kenne ich noch nicht, s.u.). Los geht es mit einer verwinkelten, endlosen Linie aus Turners Feder, deren Titel eine der Wurzeln seines Spiels offenlegt: „Lennie Groove“. Mark Turner und Ethan Iverson spielen das Thema unisono, in der Rhythmusgruppe läuft jedoch von Beginn an viel mehr, als Tristano toleriert hätte – und das ist auch gut so. Das Album ist mit etwas über fünfzig Minuten kürzer geraten, es sind sechs Stücke zu hören, drei von Hart, zwei Turner und Iverson sowie der Standard „Some Enchanted Evening“ (Rodgers-Hammerstein). „Maraschino“ aus Iversons Feder öffnet pointillistisch mit Hart, das Thema erinnert ein wenig an Monk, aber gewissermassen in einer Legato-Variante. Ben Street am Bass ist etwas weniger agil und vielschichtig als Grenadier, aber er macht einen sehr guten Job, bleibt meist in der tiefen Lage und ist immer in Bewegung. Die Gruppe man in vieler Hinsicht zugänglicher sein als FLY, sie bezieht sich viel stärker auf die grosse Jazztradition. So klingt Harts „Teule’s Redemption“ (Hart) nach Coltrane, selbst das Spiel der Rhythmusgruppe beschwört stellenweise das klassische Quartett herauf … das macht für mich das Album aber auch etwas weniger interessant als die drei gestern angehörten oben. Im nächsten Titel, „Amethyst“ (Hart), denkt man schon fast, das sei ein Schlagzeugsolo mit Begleitung, denn was Hart macht, ist höchst interessant – was darum herum geschieht zunächst nicht sehr. Doch später spielt Turner ein tolles Solo und auch Iverson – ich werde auch nach diesem Album nicht verstehen, was es bei ihm zu finden gibt – spielt ganz gut. Seine Begleitung ist gewiss nicht schlecht, recht impressionistisch, ein Tupfer da, ein Klecks dort, das fügt sich mit Hart und Street schön zusammen, gerade hinter dem zupackenden Solo Turners in der folgenden Nummer, „Yard“ (Hart). Es ist aber auch hier wieder Hart, der hinter Turner die tollsten Dinge vor sich hin trommelt, völlig locker und immer mit grossem Gespür für Räume, für Pausen – und stets überraschend. Dass er kein wirklicher Lieblingsdrummer von mir ist, liegt wohl in erster Linie daran, dass ich nach wie vor nicht begreife, was er überhaupt macht. Aber dass er hier grossartig drauf ist: keine Frage. Street spielt in „Yard“ ein gutes Solo und öffnet dann das längste Stück des Albums, „Sonnet for Stevie“ (Turner), in dem Iverson wieder ein Solo mit ein paar Prisen Monk spielt, das mir aber recht gut gefällt. Die Hauptattraktion ist aber auch hier die Hälfte der Zeit, was Hart am Schlagzeug hinter ihm macht. Sehr schön ist dann der Standard, an zweitletzter Stelle. Über den tiefen Bass (erinnert schon ein wenig an Ron Carter, nicht?), pointillistisches Schlagzeug und feine Klavier-Akkorde spielt Turner das Thema – und das erinnert, ich erwähnte sein Balladen-Album, nicht zum ersten Mal an Coltrane auf „Ballads“, auch wenn der Ton unter der Oberfläche schon ganz anders ist als derjenige des Grossmeisters. Es gibt hier allerdings Passagen, die exakt so auf „Ballads“ (oder auch auf „Kind of Blue“) gepasst hätten. Den Ausklang macht Iversons zweiter Beitrag, „Big Trees“, den Hart mit einem längeren knackigen Intro eröffnet. Die Linie ist so-so, das Interessante ist dann wieder Turners Solo, hinter dem Iverson – wie öfter mal – aussetzt. Sein eigener Beitrag ist dann ganz gut – aber ich höre ihm einfach zu, es kommt mir bei im meistens vor, als demonstriere er etwas, statt etwas auszudrücken (das schliesst sich allerdings nicht aus, schon klar – er spricht mich einfach nicht an). Das Fazit fällt trotz vieler schöner Momente zweispältig aus: als Gruppenmusik ist das nicht annähernd auf dem Niveau von FLY, die Soloflüge sind aber doch zu verhalten, manchmal gar zu zaghaft, als dass hier auch mal die Funken stieben würden. Das Potential der Gruppe ist aber gross, das ist schon klar. Vielleicht klappt es hier mir dem Freispielen auch einfach nicht gut genug?
Mark Turner Quartet
Mark Turner – ts
Avishai Cohen – t
Joe Martin – b
Marcus Gilmore – d
Das letzte der fünf Alben, Lathe of Heaven, wurde im Juni 2013 unter Leitung von MARK TURNER in den Avatar Studios eingespielt. Es kommt wieder ohne Klavier aus, die Rhythmusgruppe ist neu, ebenso wie die Trompetenstimme von Avishai Cohen, der längst selbst zum ECM-Künstler geworden ist. Sechs Stücke von Turner stehen auf em Programm, das Titelstück mit 6:40 das kürzeste, das längste ist das schon auf „One Is the Other“ zu hörende „Sonnet for Stevie“ mit knapp dreizehn Minuten. Dass dieses Album von den Vorgängern mehr trennt als es mit ihnen verbindet, ist nicht nur auf dem Papier der Fall: Marcus Gilmore am Schlagzeug sorgt schon in den ersten Takten für einen ganz anderen Groove. Er verdichtet hinter Turners Solo immer mehr, flächige und zickige Beckenschläge wechseln ab, Rolls, Trommelpatterns, darunter die hart kickende Bass-Drum … sprich: er macht genau das, was man erwartet, wenn man seinen Namen liest. Wie auch bei FLY ist hier die jüngere Generation unter sich, was durchaus zu mehr Driver führt, obwohl dieser fast so melancholisch aufgeladen ist wie bei Rava, auf dem ersten Album der Reihe. Bassist Joe Martin mag der am wenigsten bekannte und charismatische Musiker des Quartetts sein, doch es braucht hier wohl jemanden wie ihn, der die Struktur der Stücke füllt und am Boden bleibt, mit grossem, rundem Ton, ohne Allüren aber doch agil genug, um neben und mit Gilmore gut und effektiv zu wirken. Die beiden schlagen auch mal einen Haken, wechseln zusammen das Tempo, aber Martin bleibt auch gerne mal stoisch, wenn Gilmore loslegt. Cohen/Turner als Frontline funktionieren prächtig, der Ton von Turner ist wohl mit den Jahren etwas wärmer und runder geworden, aber er behielt das leicht Rätselhafte (neben Warne Marsh spielt gewiss auch der grosse Lyriker Wayne Shorter eine Rolle). Als Solist ist Cohen eine Spur temperamentvoller, seine Läufe werden im zweiten Stück, „Year of the Rabbit“, sehr schnell – aber er durchbricht doch nie die Grenze, bleibt ganz in der Stimmung der Musik. Das dritte Stück heisst „Ethan’s Line“ und ist wohl dem eigentlichen Co-Leader des Billy Hart Quartetts gewidmet – oder von ihm entliehen? Ein Piano vermisst man jedenfalls keine Sekunde, auch nicht im kreisenden Groove, des nächsten Titels, „The Edenist“. Dieses Quartett spielt freier aber zugleich härter und bestimmter als die Gruppen, mit denen Turner auf den obigen Alben zu hören ist – und doch geht nie die schon im Opener gesetzte geheimnisvolle Aura verloren. Zugleich ist hier die Rollenverteilung aber konventioneller als bei FLY, Bass und Schlagzeug agieren als Begleiter der beiden perfekt zusammenpassenden Bläser, es läuft auch in der Begleitung immer etwas, Gilmore ist einmal mehr grossartig … bloss, was den Schlusssatz betrifft, bin ich jetzt am Ende doch unsicher: Die tolle Stimmung des Albums macht eigentlich eh alles wett – oder: Ein klein wenig verschlafen wirkt das ganze auf Albumlänge dann doch? Die ECM-Falle? Daran dachte ich – passenderweise – beim ersten Album, das aber schlicht zu toll ist, als dass die Frage eine Rolle spielt, und ich denke hier wieder daran, in der zweiten Albumhälfte (in der die Bläser aber wie in der ersten Hälfte mit tollen Soli glänzen), als man allmählich weiss, wie das hier läuft. Hmm.
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Enrico Rava – New York Days * * * *1/2
FLY – Sky & Country * * * *
FLY – Year of the Snake * * * *
Billy Hart Quartet – One Is the Other * * *1/2
Mark Turner Quartet – Lathe of Heaven * * * *
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PS: Es fehlt mir noch:
Billy Hart – All Our Reasons (ECM, 2012; rec. 06/2011)
Die Gruppe, die zunächst als Iverson/Turner Quartett unterwegs war, änderte den Namen, als Hart fragte, ob man bei einem Gig in New Jersey als Billy Hart Quartet auftreten könne. Die Band spielt(e?) seit 2003 zusammen und nahm schon 2005 HighNote ein erstes Album auf, das ich bisher auch nicht kenne.
Ethan Iverson hat zwei Interviews mit Billy Hart geführt und auf seiner Website veröffentlicht:
https://ethaniverson.com/2012/03/31/billy-hart-quartet/
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