Antwort auf: Literarische Begegnungen (Lesungen)

#10373985  | PERMALINK

ford-prefect
Feeling all right in the noise and the light

Registriert seit: 10.07.2002

Beiträge: 9,659

Walter Sittler spielt Erich Kästner „Als ich ein kleiner Junge war“ – CongressForum, Frankenthal/Pfalz, 12.1.2018
Szenische Lesung mit Musik

Für den Schriftsteller Erich Kästner seien schön verfasste Vorworte in seinen Büchern „so hübsch wie der Vorgarten für ein Haus“ gewesen. „Ja, ich hab auch schon Bücher mit zwei und sogar mit drei Vorworten zustande gebracht! Und auch wenn es eine Unart sein sollte – ich werde mir’s nicht abgewöhnen können“, zitierte Schauspieler Walter Sittler, der von 1997 bis 2005 in der RTL-Arztserie „Nikola“ den Dr. Robert Schmidt gab, freistehend aus Kästners Kindheitserinnerungen „Als ich ein kleiner Junge war“. Nachdem Sittler seinen hellen Mantel samt schwarzen Regenschirm und Hut aufgehängt hatte.

Mit einer Band bestehend aus Klavierspieler, Kontrabassist, Bläsern und Schlagzeuger erweckte Charakterdarsteller Walter Sittler die Kästner’sche Autobiographie, seine frühen Jahre, zu neuem Leben. Auf der Bühne im vollen Frankenthaler CongressForum, wo sonst das SWR-Fernsehen alljährlich die Große Fernsehprunksitzung der Vereinigung Badisch-Pfälzischer Karnevalvereine überträgt. Mit einer eindringlichen Intensität, wozu sicher nur ausgebildete Sprecherstimmen fähig sind. In seinem erstmals 1957 erschienenen Memoiren widmet Kästner seiner geliebten und aufopferungsvollen Mutter viele beschreibende Seiten. Fürsorglich bis zur Selbstaufgabe sei seine Mutter gewesen. Zur Welt kam Erich Kästner, als einziger Sohn der Eltern Emil und Ida Kästner, am 23. Februar 1899 in Dresden. Dort seien die Prager Straße und die Königsbrücker Straße seine Heimat gewesen. „Ich bin noch mit der Pferdebahn gefahren. Der Wagen lief schon auf Schienen, aber er wurde von einem Pferde gezogen, und der Schaffner war zugleich der Kutscher und knallte mit der Peitsche“, schilderte Schauspieler Walter Sittler. Völlig in seiner Rolle aufgehend. Als Heranwachsender war Erich Kästner froh über den Umstand gewesen, ein Einzelkind zu sein. Bloß an Weihnachten schmerzte es den späteren Weltautor, keine Geschwister zu haben.

Wie ein aus der Zeit gefallenes Sittengemälde wirken die Kindheitserinnerungen „Als ich ein kleiner Junge war“ im Jahre 2018. Je mehr Geld man damals verdiente, umso tiefer zogen die Familien, Etage um Etage, im Mietshaus nach unten. Betuchte Leute wohnten im Erdgeschoss und mussten die Kohlen zum Heizen der Wohnung nicht die Treppe hinaufschleppen. Ärmere Menschen bewohnten ganz oben eine Mansarde unter dem Dach. „Damals gab es noch »höhere« Töchter! So nannte man Mädchen, deren Väter adlig waren oder eine Menge Geld verdienten […] An vornehmen Haustüren stand »Eingang nur für Herrschaften« […] Höhere Töchter und bessere Herrschaften gibt es allerdings auch heute noch. Sie heißen nur nicht mehr so. Es steht nicht mehr auf Schildern“, trug Schauspieler Walter Sittler vor. In Dresden befindet sich in der ehemaligen Villa des Onkels von Kästner mittlerweile ein Erich-Kästner-Museum.

zuletzt geändert von ford-prefect

--

Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!