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Zürich, Tonhalle Maag – 21.12.
Tonhalle Orchester Zürich
Bernard Haitink Leitung
Maria João Pires Klavier
Mozart Klavierkonzert Nr. 27 B-Dur (KV 595)
Bruckner Symphonie Nr. 4 Es-Dur (Romantische)
Ein Konzert gab es noch kurz vor Weihnachten, zu dem ich noch nichts berichtet habe – Schande, denn es war einzigartig! Es handelte sich gemäss der Ansage von Tonhalle Intendantin Ilona Schmiel um den allerletzten Auftritt, den Pires auf einer europäischen Konzertbühne geben sollte – abwarten, soweit ich weiss verkündet Pires ihren Bühnenabgang seit ein paar Jahren öfter, und wird im besten alten Rockstarstil rückfällig. Zu hoffen wäre es jedenfalls, denn was sie mit dem letzten Klavierkonzert Mozarts anstellte, war schlicht umwerfend. Ich sass in der ersten Reihe, zwei Meter vom Flügel, und allein das war schon ein Erlebnis. Haitink und Pires verstehen sich ohne Worte, ohne Blicke, da passte einfach alles, das klein besetzte Tonhalle-Orchester folgte den beiden mit Präzision und Hingabe. Wie einfach die Musik unter den Händen von Pires klingt, wie sie die Melodien ganz schlicht ausbreitet und damit doch ungemein berührt … das war grossartig.
Nach der Pause gab es dann Bruckners vierte Symphonie, die „Romantische“, die ich seit dem Sommer in diversen Einspielungen immer wieder angehört hatte – Haitink, so scheint es, liebt lange Programme, letzte Saison gab es, noch in der alten Tonhalle, das fünfte Klavierkonzert von Beethoven und Bruckners Neunte. Auch hier war das Orchester in jedem Moment beim Meister, der etwas engagierter dirigierte als bei den beiden Konzerten, die ich bisher sah (das erste war eine beeindruckende Aufführung des Brahms’schen Requiems mit einem überragenden Christian Gerhaher und Camilla Tilling). Das Werk, von dem ich geglaubt hatte, es allmählich zu begreifen, entzog sich mir jedoch wieder, es kam mir an manchen Stellen gar disparat vor, da wird jeden kleinste Idee (und viele gibt es ja trotz der langen Dauer nicht gerade) komplett leergemolken und dann nochmal in alle Richtungen gedreht und ausgewrungen … doch es gibt natürlich zahlreiche grossartige Momente und ich möchte auch Haitink nicht zum Vorwurf machen, dass er das Werk nicht stringent präsentiert hatte. Vielleicht war ich auch einfach zu erschöpft.
Nach der ersten Konzerthälfte gab eine lange, stehende Ovation für Pires, Schmiel kam auch nochmal auf die Bühne und überreichte eine Torte in Form eines Flügels … Pires wäre wohl am liebsten still abgeschlichen, Haitink ebenfalls, der es dann aber beim vierten oder fünften Mal knapp schaffte, dass Pires allein nach vorn ging und er sich etwas im Hintergrund halten konnte.
Peter Hagmann, ehemals (und manchmal immer noch) Musikkritiker der NZZ besuchte das erste der zwei Konzerte und schrieb viel ausführlicher und besser darüber:
http://www.peterhagmann.com/?p=1463
Wobei ich in der ersten Reihe mit den Posaunen bei Bruckner kein Problem hatte … war da trotz des (nicht so grossen) Höhenunterschiedes wohl näher dran an dem, was Haitink auf dem Podium hörte, als Hagmann in der 14. Reihe (wo natürlich die besten Plätze liegen, die ich mir bei meiner Konzertfrequenz nicht leisten könnte).
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