Antwort auf: Was liest der Forumianer im Moment?

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gypsy-tail-wind
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In den beiden Bänden lese ich nebenher … Peter Gülke versucht die überfällige Ehrenrettung von Felix Mendelssohn und stellt sich dabei ziemlich geschickt an (die Sticheleien von Wagner und anderen mit ihren äusserst hässlichen Untertönen zu widerlegen reicht dabei nicht, denn auch wenn man den stinkenden germanischen Antisemitismus abzieht, ist teilweise schon etwas dran). Nikolaus Harnoncourt ist nicht mein Freund, manches an ihm, seiner Weise zu musizieren, auch an seiner Gedankenwelt stösst mich ab – aber das ist eine höchst unterhaltsame Lektüre, in der im O-Ton das Zustandekommen des Concentus musicus geschildert wird. Ich bin erst beim Vorgeplänkel, u.a. der Begegnung mit Herbert Karajan (das von kann er sich diesmal sonstwohin streichen) und der Faszination, die dieser auf den jungen Harnoncourt ausübte. Kartoffeln essen ist für einen Wiener Symphoniker überdies nicht standesgemäss, das Salär langt auch für Fleisch.

Ansonsten las ich wieder einmal etwas bei W. G. Sebald, mit Dank für die Anregung durch @clasjaz. Den Interviewband sah ich im Regal meiner Buchhandlung, las ein paar Sätze aus einem Gespräch, das Sebald beim Deutschlandfunk führte und in dem es vor allem um Musik ging – und musste den Band gleich mitnehmen. In den Tagen in Italien las ich nicht viel – das Wetter war viel schöner als vorgesehen, ich war täglich stundenlang auf den Füssen und hatte noch anderes Lesematerial mit, das abgearbeitet werden wollte. Aber in Ferrara muss man natürlich die lakonischen Geschichten von Giorgio Bassani lesen, der der jüdischen Gemeinde der Stadt. Sie nannten bzw. nennen sich „ebrei“, Hebräer, nicht Juden. Bei der Einrichtung des Ghettos im Jahr 1627 lebten schon 1500 dort. Viele überlebten die Shoah nicht, heute gibt es nur noch ein paar Dutzend Juden in der Stadt. Meine Wohnung lag direkt an der Ecke des einstigen nördlichen Einganges am Beginn der Via Vignatagliata.

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