Antwort auf: Literarische Begegnungen (Lesungen)

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ford-prefect
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Dietmar Dath – Ernst-Bloch-Zentrum, Ludwigshafen/Rhein, 7.12.2017

Vor mir gewährt eine riesige Glasplatte im Fußboden einen Blick in das ehemalige Arbeitszimmer des 1977 verstorbenen Philosophen Ernst Bloch. Im darunterliegenden Stockwerk. Eine wenig ergiebige Lesung dennoch. Was will Science-Fiction-Literatur? Sie unternimmt mannigfaltige Was-wäre-wenn?-Gedankenspiele in Bezug auf die bevorstehende Zukunft. Oder wie Gegenwart und Zukunft verlaufen könnten, wenn man die Vergangenheit manipuliert. Spekulative Literatur also. In seinem vor einem Jahr erschienenen Roman „Venus siegt“ berichtet Schriftsteller Dietmar Dath, der Filmredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist („Von Montag bis Freitag in der Redaktion, und sogar sonntags, am Montag wollen die Leute auch Zeitung lesen“), über eine sozialistische Diktatur auf dem Planeten Venus in ferner Zukunft. Wo Menschen, Roboter und Netzintelligenzen gleichberechtigt miteinander leben. Als Utopie oder Dystopie? Bei diesen beiden Begriffen möchte sich Autor Dietmar Dath, wie der 47-Jährige auf Nachfrage erklärt, nicht festlegen.

Zwischen 1998 und 2000 war Dath Chefredakteur der Spex. „Ich lese nicht aus dem Buch, sondern aus Voraussetzungen und Folgen zu diesem Buch“, schildert Publizist Dietmar Dath, der 50 Minuten lang Absätze, Vorträge und Zitate vorliest (darunter ein Essay von Deng Xiaoping mit dem Titel „Achtet Wissen, achtet Fachkräfte“), in einem Cut-up-Monolog, wobei abgelesene weiße Blätter neben ihm zu Boden sinken. Zu allem Überfluss sitzt in meiner Stuhlreihe links von mir mein alter Religionslehrer. Lose Textstücke aus den vergangenen 15 Jahren des Dath’schen Schaffens bekommen wir zu hören, die in „Venus siegt“ münden.

Bisweilen sperrig und wenig zugänglich. Eigensinnig und assoziativ. „Es war keine Lesung, sondern eine Schreibung“, fasst Dath, dem wir den 2008 erschienenen Bestseller „Die Abschaffung der Arten“ verdanken, nach der Veranstaltung zusammen. Ringsherum unter den 18 Besuchern ernste bis wissende Gesichter. „Wenn einen Karl May anlügt, gibt es zumindest doch Amerika“, weiß Dath. Und holt aus: „Marx und Lenin reden dauernd über Fabrik, Hitler über Wölfe.“ Und ergänzt frei: „Erst durch die Arbeitsteilung werden wir Individuen. Zehn Personen auf zehn Inseln sind ja gleich: Da ist die Kokosnuss, der Unterstand und das Raubtier.“ Ah ja.

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