Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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gypsy-tail-wind
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Kein ordentlich aufgemachter Konzertbericht, gerade den halbfertigen Post aus Versehen gerefresht, aaaargh – gehört:

1) 22.11.2017 in Mantua im wundervollen Teatro Bibiena (von dem der 13jährige Wolferl ganz begeistert war, er trat wenige Wochen nach der Eröffnung dort auf) eine Aufführung von Händels Alexander’s Feast mit einem tollen Ensemble und Chor sowie guten bis sehr guten Solisten (die einen Sprachcoach benötigt hätten) und einem unruhigen Publikum (das ein paar Male eins hinter die Ohren benötigt hätte) … sehr schönes Ambiente, feine Musik, alles in allem sehr stimmig. Besonders gut gefielen mir die Arien für Alt bzw. Countertenor. Die Aufführenden:

ANNA SIMBOLI Soprano
ANDREA ARRIVABENE controtenore
ALESSIO TOSI tenore
MATTEO BELLOTTO basso

CORO DA CAMERA RICERCARE ENSEMBLE (ROMANO ADAMI maestro del coro)
ORCHESTRA ACCADEMIA DEGLI INVAGHITI, FEDERICO MARIA SARDELLI direttore

2) 25.11.2017 in der Sala dei comuni im Castello Estense in Ferrara ein Konzert mit der Überschrift „Musica astrale„, in der zunächst Stockhausens Tierkreis-Zyklus gespielt wurde – mit viel Gitarren (zwei Gitarren, zwei Gitarren und Flöte, zwei Gitarren und Violine, Oboe und Gitarre, drei Gitarren, Sopransax und Gitarre bzw. zwei Gitarren, Horn und zwei Gitarren, aber auch ein Solo für Tenorsaxophon – für das ein älterer Musiker nach vorne ging, ansonsten handelte es sich wenn ich das richtig verstand in erster Linie um Studenten des Conservatorio Frescobaldi in Ferrara. Danach gab es eine etwas seltsame Uraufführung für elektrische Gitarre und zweite elektrische Gitarre bzw. elektrischen Bass von Mauro Cardi, als nächstes trat das Mandolinenensemble „Ensemble a Pizzico Caput Gauri“ nach vorn (fünf Mandolinen, zwei Tenormandolinen, drei Gitarren, ein Mandolocello (das ich allerdings nicht sah) und ein (schleppender) Kontrabass … die Musik stammte von Purcell, Morricone und zuletzt Hermann Ambrosius. Den Abschluss machte dann wieder ein elektrisches Stück, eine neue Vertonung von Méliès „Le Voyage dans la lune“ von vier jungen Musikern (elg, elg, b, d), die mir sehr gut gefiel. Vom Konzert hatte ich am Vortag beim Rundgang durch das Castello Wind bekommen – und auch die Proben zum einen der elektrischen Stücke gehört, die deutlich wilder und improvisierten klangen als was dann beim Konzert zu hören war. War aber eine gute Sache, die etwa eine Stunde dauerte.

3) 26.11.2017 in der Scala in Mailand – das war nun geplant. Um 15 Uhr fand die letzte Aufführung der Saison und zugleich die Dernière der neuen Oper von Salvatore Sciarrino statt, „Ti vedo, ti sento, mi perdo„, oder: Warten auf Stradella. Die NZZ berichtete über die Aufführung etwas zu kritisch, denn alles in allem fand ich sie doch recht stimmig, der erste Akt vielleicht etwas langfädig, die Kostüme etwas zu bunt, überhaupt etwas zuviel „Action“ auf der Bühne, das Getrampel dann oft etwas zu aufdringlich – aber so leise wie Peter Hagmann fand ich die Musik denn nun wirklich nicht – die Rezension:
https://www.nzz.ch/feuilleton/oper-mit-abwesendem-protagonisten-ld.1329182

Stab und Cast:

Orchestra del Teatro alla Scala
Direttore – Maxime Pascal
Regia – Jürgen Flimm
Collaboratore del regista – Gudrun Hartmann-Wild
Scenografo – George Tsypin
Costumi – Ursula Kudrna
Lighting Designer – Olaf Freese
Movimenti coreografici – Tiziana Colombo

La cantatrice – Laura Aikin
Musico – Charles Workman
Letterato – Otto Katzameier
Pasquozza – Sonia Grané
Chiappina – Lena Haselmann
Solfetto – Thomas Lichtenecker
Finocchio – Christian Oldenburg
Minchiello – Emanuele Cordaro
Giovane Cantore – Ramiro Maturana*

Coro
Hun Kim*
Massimiliano Mandozzi
Chen Lingjie**
Oreste Cosimo*
Sara Rossini*
Francesca Manzo*

*Allievo Accademia Teatro alla Scala
** Allievo Conservatorio G. Verdi di Milano

4) 30.11.2017 in der Tonhalle-Maag, wieder erste Reihe – ein fulminantes Konzert mit dem Tonhalle-Orchester, das erstmals mit dem Derwisch-Mönch Teodor Currentzis auftrat – und ihm in der Tat folgte auf seinen musikalischen Entdeckungszügen. Grossartige Sache! Los ging es mit Alban Bergs Violinkonzert mit der Solistin Patricia Kopatchinskaja, die praktisch vor meiner Nase stand – nach drei Konzerten kann ich beruhigt sagen, dass erste Reihe in dem so transparenten Saal gut ist, ich weiss also, wie ich die künftigen drei Saisons meine regelmässigen Klassik-Kicks zu akzeptablen Preisen kriegen kann … für die laufende Saison habe ich eh schon um die 20 Konzerte gebucht, fast immer in der ersten Reihe (alternativ gibt es billige Plätze nur zuhinterst oder in der hintersten Reihe hinter der Bühne – ich bin gerne nahe dran, aber die Seitengalerie, die ich sonst gerne mag, ist leider in der Interimsspielstätte nur einreihig und daher viel zu teuer). Aber gut: Berg, los ging es mit einer Art inszeniertem Stimmen, einem ganz leisen Prolog, aus dem sich dann erst nach ein oder zwei Minuten die Musik Bergs entpuppte – eine wundervolle Idee, die quasi auch schon vorgreift auf das Folgende, Kopatchinskaja im weissen Kleid schien den Engel zu verkörpern, dem das Konzert gewidmet ist – sie kämpfte mit und gegen und für sich, das Orchester, das Werk, das Instrument, den Dirigenten (der natürlich völlig eins mit ihr war, wie das Orchester, das Werk und das Instrument auch), dehnte und bog sich wie eine Feder, die dann plötzlich wieder in die Ausgangslage zurückschnellt. Currentzis gutes Schuhwerk (immerhin schneite es nach dem Konzert ein wenig) irritierte die nervigen distinguierten (oder eben gerade nicht) Konzertgänger in der Reihe hinter mir wohl mehr als sein Dirigat – auch gut. Nach der Pause folgte Schostakowitschs fünfte Symphonie – und wie das Orchester hier mit Currentzis mitging war echt grandios, welche Wellen da von der Bühne herabrauschten und das Publikum fast hinwegfegten … eine grossartige Erfahrung, die denn auch mit langem Applaus und einigem Jubel quittiert wurde. Gerne mehr davon (aber ins Opernhaus, wo Currentzis im Januar mit Hélène Grimaud auftritt, werde ich nicht gehen, ist inzwischen wohl eh ausverkauft).

Auch die NZZ war wieder zur Stelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/mit-haut-und-haar-und-doppeltem-boden-ld.1334220

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