Antwort auf: James Brown

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friedrichNoch ein paar Worte hierzu: James McBride – Black And Proud (2016) Vorweg: Dieses Buch ist keine Biografie von James Brown. James McBride hat mit Menschen aus dem Umfeld JBs (Jugendfreund, Ex-Mitglied der Famous Flames, Ex-Frau, Ex-Manager und späteren Bürgerrechtler, Pee Wee Ellis und andere mehr) gesprochen und strickt daraus seine Interpretation des Phänomens James Brown, wie er wurde, was er war und was er in der amerikanischen Gesellschaft und Kultur für eine Bedeutung hat. Das ist oft interessant und gibt Einblicke in die black community und die gespaltene us-Gesellschaft und beschreibt den Humus der Südstaaten, aus dem James Brown sich von ganz unten hocharbeitete – wenn es sein musste mit dem Kopf durch die Wand und entsprechenden Kollateralschäden. Leider sammelt JMcB diese Erzählungen nicht nur, sondern interpretiert und gewichtet sie subjektiv, mischt sich selbst in die Geschichte ein und scheint sie absichtlich in eine Richtung zu lenken. Auf manchen Dingen reitet er übertrieben herum (die Erbstreitigkeiten …) bis es redundant wird. Manchmal habe ich auch das Gefühl, ich erfahre mehr über die Gesprächspartner JMcBs und den Autor selbst, als über James Brown. Und dann gibt JMcB auch manchmal seine persönliche Meinung zum Besten – das Biopic GET ON UP hält sich nicht immer an die Wahrheit, der weiße Mann hat dem schwarzen Mann die Musik geklaut, Funk spielen ist harte Arbeit, Anwälte und Politiker sind alle gierig und korrupt … – nun ja, das mag stimmen, aber großartige Erkenntnisse sind das nicht. Ich verstehe nicht so ganz, was JMcBs These ist. Im oben erwähnten Radio-Feature behauptet JMcB, dass JB ein missverstandener Künstler gewesen sei. Wieso eigentlich? Ich habe nicht den Eindruck, dass JMcB ein völlig neues Bild von JB entwirft. JB war tief geprägt von Armut, Rassismus und Gewalt und getrieben von dem Willen, dem zu entkommen? Aha? JB war ein genialer aber einsamer Tyrann? Na sowas! Ich will nicht verschweigen, dass ich mit diesem Urteil über Black & Proud ziemlich allein da stehe, denn das Buch wird sonst fast durchgehend hoch gelobt. Vielleicht habe ich einfach was missverstanden. Vielleicht wollte ich auch einfach nur ein anderes Buch lesen.

Ganz allein bist Du nicht mit dem Urteil. Ich war, zumal nach all den Vorabhymnen, auch etwas enttäuscht. Beim Lesen habe ich mir überlegt, ob es aus verschiedenen journalistischen Arbeiten zusammengestückelt war. Das Kapitel über PeeWee Ellis ist toll, aber dann gibt es wieder Passagen, bei denen man sich fragt: Hat er mit diesen Leuten bloß gesprochen, weil er andere nicht gekriegt hat? Irritierend auch der sehr lässige, bisweilen nachgerade pfuschig laxe Umgang mit Datierungen und Fakten. Und der Streit ums Erbe ist überproportioniert. Und die komische Gruselgeschichte mit dem Verwandten, die mehr von McBride handelt als von Brown – wozu soll die letztlich gut sein? Und … Ach, jede Menge Einwände. Sicher nicht das amtliche Buch, das man lesen sollte, wenn man sich über JB kundig machen will, wenngleich als Ergänzung brauchbar.

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