Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Solokünstler › Lena Meyer-Landrut › Antwort auf: Lena Meyer-Landrut
close-to-the-edgeUnd was war nun das Posting, aus dem die bösen Journalisten ihre „krasse Schlagzeile“ konstruiert haben?
Das Video, auf das sich die ganze Aufregung bezieht, ist dieses hier.
An einer Stelle sagt Lena tatsächlich, sie habe sich dazu entschieden, das Album „abzusagen“; der Kontext allerdings ist vollkommen eindeutig, und sie macht auch explizit klar, dass sie 2018 ein Album veröffentlichen will, wenn auch möglicherweise unter anderem Titel. Mich als alten Who-Fan erinnert Lenas Schritt spontan an das Canceln des „Lifehouse“-Projekts und seine „Wiedergeburt“ in abgespeckter Form als „Who’s Next“. Die Substanz war immer noch die gleiche, aber die Form eine andere als ursprünglich geplant. Das macht Lena im Video sehr deutlich, aber der größte Teil der Presseberichterstattung unterschlägt das und tut so, als sei Lena mit ihrem Album-Projekt völlig gescheitert. Insofern ist ihre Pressekritik absolut gerechtfertigt.
Lena hat es sich mit dem Gemini-Projekt von vornherein sehr schwer gemacht. Ihr Vorsatz war außerordentlich komplex: einerseits sollte das Album ihr persönlichstes werden (If I Wasn’t Your Daughter hat einen eindrucksvollen Vorgeschmack darauf gegeben), andererseits sollte es wieder fröhlicher werden als Crystal Sky. Auf Stardust befindet sich mit Mr. Arrow Key ein Song, der diesen Anspruch bereits erfüllt hat; leider wurde er nie seiner Qualität entsprechend gewürdigt. Auch Lost In You geht in die formulierte Richtung, stieß aber ebenfalls auf ein zwiespältiges Echo. Der formulierte Anspruch erinnert auch an das Programm des romantischen Lieds. Als bekanntestes Beispiel sei Hoch auf dem gelben Wagen genannt: ein außerordentlich beklemmendes und düsteres Thema wird eingesponnen in eine vordergründig fröhliche Melodie – das ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben, die sich ein Songwriter überhaupt stellen kann. Und leider wird sie selbst im Falle des Gelingens längst nicht immer gewürdigt.
Ich vermute, dass Lena nach einjähriger Arbeit an dem Projekt klar geworden ist, was für ein großes Risiko sie damit eingeht, nämlich sich komplett zwischen alle Stühle zu setzen und sowohl in kommerzieller als auch in künstlerischer Hinsicht verkannt zu werden. Der Popmarkt verlangt nach Eindeutigkeit, nach eindeutiger Übereinstimmung von Inhalt und Form. Deshalb vermute ich nach Ansicht des Videos und seiner Botschaft, dass das für 2018 projektierte Album klar nach dem Vorbild von If I Wasn’t Your Daughter gestaltet werden soll: balladesk, ausdrucksstark und auf zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten für Lenas Fans zielend. Lenas Aussage, mit ihrer Musik auch hilfreich wirken zu wollen, deutet für mich jedenfalls stark darauf hin.
Diese von mir vermutete Eindeutigkeit würde dann auch dafür sprechen, einen anderen Albumtitel zu wählen. Gemini war der perfekte Titel für dieses zwittrige Projekt, ernste Themen in fröhliche Musik zu kleiden. Ein eindeutiger gestaltetes Album könnte schlicht Lena heißen.
Aber das sind alles nur Spekulationen. Ich bin selber sehr gespannt, was daraus wird.
P.S.: Die neue Tour 2018 ist übrigens bereits fest terminiert. Lena ist also klar auf Kurs.
--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=