Re: The Black Keys

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Da ich hier über mehr als ein Jahr lang das Gesamtwerk von The Black Keys habe Revue passieren lassen, erlaube ich mir, ihr neues Album ebenfalls hier zu besprechen. Da ich die Musik der Keys seit 2003 wohlwollend verfolgt habe, möchte ich das neue Album in den gesamten Zusammenhang stellen. Meinungen, Einwürfe, Beschwerden etc. sind willkommen.

Was gibt es zu EL CAMINO überhaupt noch zu sagen? Letzten Samstag schlage ich beim Frühstück völlig arglos die Zeitung auf und was sehe ich auf der ersten Seite des Feuilletons? The Black Keys. Am Montag drauf gehe ich den Plattenladen und stelle fest, dass auf der neuen CD der Black Keys ein Aufkleber prangt, der sie als das Album des Monats im Rolling Stone auszeichnet. Dienstag schalte ich das Radio an und höre was? Die neue Black Keys-Single LONELY BOY. Direkt im Anschluss wird ein Stück von T.Rex gespielt und der Moderator kommentiert, dass dieser Song von „the highly anticipated new album by The Black Keys“ stammt und dass The Black Keys „have been compared to T.Rex“. Auch andernorts überschlagen sich die Lobeshymnen.

Vielleicht rekapitulieren wir einfach mal. The Black Keys haben seit 2002 sieben Alben veröffentlicht und unzählige Gigs gespielt. Dazu kommen noch ein Soloalbum des Gitarristen Dan Auerbach, ein Seitensprung des Drummers Pat Carney mit der Band Drummer und eine Hip Hop-Kollaboration mit verschiedenen Rappern. Aber so viel Medienpräsenz wie jetzt genoss die Band noch nie. Was ist passiert?

Mit ihrem letzten Album BROTHERS hatten die Keys 2010 nach Jahren in den USA endlich einen Hit gelandet. Eine Goldene Schallplatte und 3 Grammys waren die Folge. Mit EL CAMINO erleben sie jetzt auch den internationalen Durchbruch. Von ihren im Übungsraum in do-it-yourself Ethos und lo-fi Sound aufgenommenen Alben bis hier war es ein langer Weg. EL CAMINO ist dann auch das spanische Wort für Weg oder Pfad und der Name eines Automodells von Chevrolet – nicht aber eines der Mini Vans, die das Cover des Albums zieren, darunter auch das Modell, mit dem The Black Keys jahrelang durch die USA tourten.

Die Erwartungen an den Nachfolger von BROTHERS waren – zumindest in den USA – hoch und EL CAMINO übererfüllt diese sogar noch. Das Album ist ein Hit und man meint herauszuhören zu können, dass genau das auch die Zielrichtung war. Zwar bleiben die Keys ihren Einflüssen aus dem Fundus der Blues und Rockgeschichte treu, auf EL CAMINO pressen sie diese jedoch in kurze und harte Stücke, die in kürzester Zeit auf den Punkt kommen. Jedes einzelne Stück ist ein Rocker, komplett mit Gitarrenriff, Uuuh- und Oohohoooh-Chor, der direkt in die Glieder fährt. Die Produktion von Danger Mouse (mit dem sie auch schon 2008 auf ATTACK & RELEASE und einem Stück von BROTHERS zusammengearbeitet hatten) ist äußerst dicht und laut, oft am Rande der Reizüberflutung, so dass es manchmal schon penetrant wirkt. Von Anfang an wird kräftig aufs Gaspedal getreten und es wird höchstens mal etwas Tempo raus genommen um einen Gang runterzuschalten und sofort mit höherer Drehzahl weiterzufahren.

Wenn auf BROTHERS eine Melange aus Rock, Blues, Soul und Country breit ausgewalzt wurde und man sich auch mal Zeit für ein paar nachdenkliche Momente nahm, verdichtet EL CAMINO das alles in harten Rock, dem man aber auch Dan Auerbachs und Pat Carneys Liebe zu Black Music und den Einfluss des Hip Hop Produzenten Danger Mouse anhört.

Ein sehr gutes The Black Keys-Album, wahrscheinlich genau das Album, das das Duo nach ganz oben katapultieren und sich massenhaft verkaufen wird. Auch der enorme PR-Aufwand, den ihr Label für EL CAMINO betreibt, wird seine Wirkung nicht verfehlen. Verdient haben die Keys den Erfolg allemal. Schade, dass dabei die ruhigen und gefühlvollen Seiten der Keys zumindest dieses mal auf der Strecke bleiben. Man darf neugierig sein, in welche Richtung das Pendel das nächste mal ausschlägt.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)