Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Jazz Reissues › Antwort auf: Jazz Reissues
nail75Danke für den Hinweis! Habe das eben gesehen, als ich was anderes posten wollte.
Ich habe mir zwei neue „Complete Black Saint & Soul Note“-Boxen zugelegt: Kenny Wheeler und Paul Motian. Ich besitze außerdem Steve Lacy (small groups), Henry Threadgill & Cecil Taylor.
Was brauche ich noch?
Hm, bin bei den Boxen etwas zwiegespalten, sie sind oft etwas bunt gemischt, überlappen sich etc. … die Motian-Box finde ich super, die Threadgill nur teils (ich bin einfach nicht an allen Besetzungen gleichermassen interessiert und von Air finde ich andere Alben erheblich besser).
Die beiden von Max Roach habe ich ausgiebig zu hören begonnen und finde sie soweit ziemlich toll (bin noch nicht ganz durch), die Oliver Lake ist gut, ebenso Julius Hemphill – und natürlich Roscoe Mitchell. Wenn Dir Threadgill und sowas gefällt, könnte die Richtung da jedenfalls passen. Bin mit Roscoe Mitchell noch nicht ganz durch, denke generell auch bei ihm: die besten Sachen sind anderswo zu finden (Nessa! In jüngeren Jahren dann aber auch ECM). Mit George Lewis werde ich von den Chicagoern bisher noch nicht so ganz warm (da sind „Change of Season“ und „Dutch Masters“ vom zweiten Lacy-Set, s.u., auch wieder drin).
Von Steve Lacy und Mal Waldron gibt es beim Label haufenweise guten Stoff (aber das zweite Waldron-Set hat wiederum ein paar seltsame Sachen drin, auch das grauenvolle Album mit der Sängerin, die mit Joe Lovano verheiratet ist; das erste, „Quintets“, hingegen enthält die beiden grossartigen Alben mit Woody Shaw, Charlie Rouse, Reggie Workman und Ed Blackwell sowie zwei weitere mit Sonny Fortune, Ricky Ford, Workman und Eddie Moore – kann man nichts falsch machen!). Das Lacy-Set mit den grösseren Besetzungen enthält auch die tollen Projekte mit Mengelberg und Rudd (Trickles, Dutch Masters, Regeneration, Change of Season – v.a. die letzten beiden zählen zu Lacys schönsten Aufnahmen) … und „Vespers“ ist noch ein Klassiker.
Wheeler habe ich noch nicht durch, aber da bietet sich direkt der Hinweis auf Enrico Rava an – auch das etwas gemischt, aber er ist schon ein toller Solist, eine eigene Stimme, egal in welchem Rahmen.
Noch so ein Gemischtwarenladen ist die Charlie Haden-Box, die aber das tolle „Etudes“ mit Geri Allen/Paul Motian sowie die beiden Old and New Dreams-Alben enthält, dazu das hübsche aber nicht zu den Grossspätwerken gehörende „Silence“ mit Chet Baker.
Im Set von Ed Blackwell sind die Old and New Dreams auch wieder drin … aber auch das feine Duo mit Dewey Redman („Red and Black“, hatte ich davor schon einzeln), ein David Murray-Album (s.u.) etc. Wieder ein ziemlicher Gemischtwarenladen, aus dem ich noch nicht alles angehört habe. Bei diesen Sets kann man sich wohl ungefähr zusammensetzen, was für einen sein könnte und was nicht.
Ran Blake ist wohl ein Spezialfall … ich bin an seinen Sachen generell fast immer interessiert, aber das muss man wohl für sich selbst herausfinden.
Paul Bley dann … das Set enthält Gutes und Mittelmässiges, aber auch sehr seltsames (man frage nicht, warum „Memoirs“ mit Bley/Haden/Motian nicht im Haden-Set ist, es ist neben „Mindset“ im Duo mit Peacock wohl das einzige echte Bley-Highlight in der Box, sonst seine allerbesten Sachen eher anderswo zu suchen … das Bley-Set enthält auch wieder andere Überlappungen mit Giuffre und Motian)
Bei Lester Bowie kann man wenig falsch machen, Anthony Braxton finde ich alles in allem sehr hörenswert (das Duo mit Roach ist hier auch wieder mit drin, das CT/Roach-Set ist natürlich bei Roach auch nochmal mit drin).
Supertoll finde ich hingegen Muhal Richard Abrams – auch viel vermischtes dabei, aber ein Musiker, dem ich immer gerne lausche. Die in der ersten Box fehlenden Alben habe ich mir damals einzeln zusammengesucht (wie weit es mit den Remasterings her ist, weiss ich eh nicht).
Jimmy Lyons ist ein weiterer Favorit, aber auch da habe ich die Alben bereits einzeln. Und im – ebenfalls ziemlich tollen – Set von Andrew Cyrille ist komischerweise nur eins der gemeinsamen Duos drin …
Art Farmer ist natürlich im Vergleich sehr konservativ, schnörkelloser Post-Bop, aber auf höchstem Niveau. Am schönsten wohl die beiden Alben im Quintett mit Clifford Jordan, es gibt auch eines mit dem Jazztet (Fuller/Golson), eins mit Sahib Shihab etc. Auch hier nicht alles super, aber unter solide ist da nichts. Die späten Contemporary-Alben mit Jordan sind mir aber nochmal eine Spur lieber (Something to Live for, Blame It On My Youth, Ph.D. – auf dem letzgenannten stösst noch Kenny Burrell dazu).
Da könnte man dann mit Lee Konitz fortfahren, das erste, „Live at Laren“, ist ein Klassiker, auf den Rest kann man wohl eher verzichten, wenn man keine grosse Konitz-Sammlung haben möchte (drei Quartette, zwei mit Harold Danko, eines mit Kenny Werner, dann ein seltsames Album mit Peggy Stern, ebenfalls Pianistin).
Jimmy Giuffre und Chico Hamilton sind wohl Spezialfälle – da würde ich nicht raten, entweder hört man ihre Sachen und wird neugierig oder man lässt es bleiben.
Und George Russell kann man da wohl dazugruppieren, obwohl ich hier eine Empfehlung ausspreche, denn mit seinen Sachen – nicht nur den frühen „klassischen“ Alben für Riverside, Decca etc., finde ich lohnt eine Auseinandersetzung immer!
David Murray hat schon drei Sets – bin nicht sicher, ob damit alles abgeschöpft wurde. Da sind überall grossartige Sachen drin, die Oktette (eine separate Box), „The Hill“, „Body and Soul“ … aus Vol. 3 kenne ich noch am wenigsten. Bei der Oktett-Box gab es anfangs Produktionsmängel (fehlende Kanäle auf zwei Alben oder sowas? Man hörte dann den Solisten nicht und so Zeugs, aber wenn man das nicht wusste, klang es einfach etwas seltsam aber man kam nicht unbedingt drauf – irgendwo auf Org müssten sich Details dazu finden, ev. auch hier, aber frag mich nicht wo, Suchen geht ja nicht).
Archie Shepp muss nach meinem Empfinden eher nicht sein, aber da mag @vorgarten widersprechen – mich zieht es halt bei Shepp immer wieder zu den Alben aus den frühen Jahren. Alles habe ich da aber auch noch gar nicht angehört, kann zur Box daher gar nicht viel Konkretes sagen, aber meine Shepp-Tendenz ist an anderen Fällen „geschult“ worden.
Bei Sun Ra bin ich auch nicht viel weiter, aber das sind halt auch alles späte Sachen, da muss man wohl mal raufinden, ob man die generell braucht oder eher nicht.
Die Italiener sind auch etwas vermischt … Enrico Pieranunzi ist sehr in Ordnung, aber macht Bill Evans-mässig immer wieder dasselbe Album. Wenn man nicht deren 20 haben will, würde ich eher das Trio mit Johnson/Baron und da als erstes mal die Morricone-Alben empfehlen (bei CAM, zu denen der BSSN-Katalog ja gehört). Von diesem Trio ist in der Box auch ein Album zu finden, aber es ist auch da nicht direkt das beste. Giorgio Gaslini wurde von BSSN/CAM eine Serie mit vier Doppel-CDs mit frühen Aufnahmen gewidmet – eine Schatztruhe! Die Dischi della Quercia-Alben sind mir bisher noch nicht sehr vertraut, aber das setzt teils etwa da an, wo die vier Doppel-CDs aufhören (in den Siebzigern), es gibt dann Duos (mit Roswell Rudd etwa), Aufnahmen mit Braxton etc. Bin da insgesamt aber noch nicht weit genug drin, würde auch eher mal die Monk- und Ayler-Soloalben (auch Soul Note – Plays Monk, Ayler’s Wings) empfehlen zum Einstieg. Gianluigi Trovesi mag ich unheimlich gerne, aber die Box ist ebenfalls ziemlich bunt gemischt. Das beste daraus zählt aber schon zu Trovesis besten Alben, keine Frage!
Don Pullen ist auch eine Spur enttäuschend, finde ich … das Album mit Rivers ist jedenfalls nicht besonders gut, die anderen eher besser, aber ich mag bei ihm wohl andere Sachen (Blue Note!) lieber – und auch die Adams/Pullen-Alben hat man in seiner Box weggelassen (zu Adams s.u.).
Von den noch nicht gehörten verspreche ich mir vor allem vom World Saxophone Quartet recht viel – da mag @soulpope aber mehr dazu sagen können, die Elektra-Alben, die er meines Wissens sehr schätzt, stehen hier auch im Plattenregal und werden ebenfalls geschätzt – ob die Black Saint/Soul Note-Alben auf demselben Niveau sind, kann ich noch nicht sagen.
Auch bei George Adams war ich noch nicht, bilde mir aber ein, aufgrund der mir von ihm bekannten Sachen, einigermassen abschätzen zu können, dass das auch ziemlich gut sein müsste. Dave Douglas habe ich auch noch nicht weiter angehört, kannte davor nur „Parallel Worlds“ … Douglas lässt mich meist ein wenig kühl, aber da ist doch immer irgendwas, was mich zum Dranbleiben treibt. Das Mingus Dynasty-Set habe ich auch noch nicht angehört – aber ich mag die Mingus Big Band ganz gerne und die Sidemen sind sowohl bei den Dynasty als bei den „Big Band Charlie [sic!] Mingus“-Alben ziemlich toll.
Ach so: Bill Dixon ist ja auch noch! Um dessen Musik kreise ich seeeeehr langsam, und die Box ist ziemlich umfangreich – das wird dauern, aber von seiner Musik geht eine enorme Faszination aus – auch eine Art Bann, der mich immer wieder fernhält bzw. dazu anhält, nichts zu überstürzen. Diese Langsamkeit, Sparsamkeit, ist wohl in der Musik irgendwie drin, das ist jedenfalls nichts, wo ich mal so rasch drei, vier Alben am Stück hören würde.
zuletzt geändert von gypsy-tail-wind--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records, 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba